Von vornherein verdächtig?
Immer mehr hört man von den Überwachungsbestrebungen der EU-Mächtigen (siehe z.B. den Artikel Denn sie wissen, was wir tun aus der Zeit). Hierzu haben wir aus einer diesbezüglichen Radiosendung folgendes Zitat notiert: "Überwachung verlangsamt den gesellschaftlichen Fortschritt, weil dieser nur durch abweichendes Verhalten zustande kommt... Wenn man überwacht wird, verhält man sich so, wie man meint, dass man sich verhalten soll." (Frei nach einem in einer Radiosendung über neue Überwachungstendenzen - welche in der Sendung als ineffektiv in Sachen Sicherheit, kostspielig und außerdem bedenklich weil unter anderem an frühere Überwachungsstaaten erinnernd - oder 1984 von George Orwell, eig. Anm. - dargestellt wurden - auf Ö1 am 19.9.05 interviewten Mitarbeiter einer Datenschutzorganisation - dessen und deren Namen leider nicht zu notieren geschafft). Und es frage sich ein jeder, ob er sich gerne (sei es von seinem Chef, seinen Eltern, oder wem auch immer) überwachen lässt und wenn nein, wieso nicht bzw. wieso er es dann von staatlichen Obrigkeiten wollen soll. Vielleicht sollten sich die "Denker" in Sachenheit ein wenig mit fortschrittlichen, erziehungswissenschaftlichen Methoden beschäftigen (extrinsische Motivation zerstört u.U. intrinsische, Zwang, etc.).


Kameras sind wunderbar bequem und sparen Arbeitskräfte, aber was für eine Generation wächst heran die nur unter Videoüberwachung handelt? In einer Gesprächsrunde prägte jemand mal den Begriff der Psychischen Deformation, frei nach Heisenberg wird durch den Akt der Messung das Verhalten des Objektes selbst verändert. Im Land der begrenzten Möglichkeiten werden Kameras zum Teil schon als Babysitter eingesetzt, meiner Meinung nach ist aber mit solchen Praktiken unverzüglich aufzuhören sobald sich das Objekt der Kontrolle der Kontrolle bewußt wird.
Ein Televisor ist ein mächtiges Werkzeug, seine Macht beruht auch auf Schrecken. Ich habe schon erlebt wie mir auf einer Ausstellung jemand vom Personal anvertraute daß die Kameras gar nicht angeschlossen waren.
Eine zentrale Datenbank mit Telefon und Internetverbindungen wäre bedenklich wenn sie von jemandem für Werbezwecke mißbraucht wird. Wäre für mich ein guter Grund meine Verbindungen zu kündigen und nur noch anonym über Internetcafes ins Netz zu gehn.
Aber die allergefährlichste und entwürdigendste Überwachung die Menschen auf den Status von Protoplasmaklumpen reduziert und meiner Meinung wirklich nur auf Hochsicherheitsbereiche und Schwerstkriminelle beschränkt bleiben sollte ist das Erfassen biometrischer Daten, vor allem DNA Profile. Das Gen-ethische Netzwerk (www.gen-ethisches-netzwerk.de) hat im September 2005 ein sehr gutes Faltblatt zum Thema herausgebracht, in dem es vor Inflation einer guten Idee und Beschneidung von Grundrechten im Namen der "inneren Sicherheit" warnt.
Eine flächendeckende DNA-Erfassung für Bagatelldelikte ist für mich ein Grund mir die Haare zu scheren und nur noch im Schutzanzug das Haus zu verlassen. Es ist für mich ein Grund keinen Arzt mehr zu besuchen, kein Blut zu spenden und Krankenhäuser unter allen Umständen zu meiden. Es ist für mich ein Grund mich einer Verhaftung mit allen Mitteln zu widersetzen und so möglicherweise erst die Straftat zu begehen vor der man mich angeblich schützen will. DNA Informationen sind hochsensible und eng persönliche Daten die in den falschen Händen katastrophale Wirkungen entfalten könnten. Eine erkannte Erbkrankheit kann z.B. die Arbeitssuche fast unmöglich machen.
Auch die Eigentumsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spielen hier mit. Ich denke nur an den Fall John Moore in den USA, dessen Hausarzt von ihm ein Gen isolierte, dieses zum Patent anmeldete und verkümmelte ohne daß John Moore davon auch nur einen Cent sah. Auch die Behörden wollen nun stärker auf medizinisch erfaßte sensible Daten zugreifen, was zu sehr heiklen Situationen führen kann.
Wie Marvin sagen würde: Ich gehöre mir... Abschließend noch ein paar gute Zitate als Denkanstöße:
"Ein Palantir ist ein gefährliches Werkzeug, Saruman"
"Warum? Warum sollten wir uns scheuen, Gebrauch davon zu machen?"
"Es ist ungeklärt, wo die anderen sehenden Steine sich befinden.
Wir wissen nicht wer vielleicht sonst noch zusieht!"
(Aus "Herr der Ringe" - Der Film)
"Die Mafia und alle Pädophilen im Lande zusammen können nicht mehr Schaden anrichten als unkontrollierbare Sicherheitsdienste, die die gesamte Nation unterdrücken können." (Ein russischer Computerexperte in "Internet - Schöne Neue Welt?" von David Rosenthal)
"Wir sind Informations-Wiederbeschaffung, nicht Verbreitung." (Jack Lint in Terry Gilliam's "Brazil")
"Am Ende werden sie uns ihre Freiheit zu Füßen legen und uns sagen: Macht uns zu Sklaven, aber füttert uns!" (Dostojewski, aus "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley)
Jede soziale Organisation, die auf der Annahme gründet, daß »der Mensch« (wer immer »der Mensch« sein mag) sich wünsche, beständig seinen Mitmenschen assoziiert zu sein, wäre für viele individuelle Männer und Frauen ein Prokrustesbett. Nur das Abschneiden von Gliedmaßen oder die Streckfolter könnten sie ihm angepaßt machen.
(Aldous Huxley, "Wiedersehen mit der Schönen Neuen Welt")
"Furcht formt einen sonderbaren Nährboden. Gehorsam gedeiht darin besonders gut. Wie Korn wächst er, in ordentlichen Reihen, durch die das Unkrautjäten besonders leicht wird. Aber manchmal wachsen -im- Boden, den Blicken verborgen, die Kartoffeln des Trotzes heran." (Terry Pratchett, "Einfach göttlich")
"Vigilance is the greatest contraproductive power in the universe" (An american friend)
"Official is the eye of the beholder" (The same friend
Ein Kommentar wie aus dem Bilderbuch! Überrascht hat mich nur ein wenig, dass du dich bei gespeicherten Telefon- und Internetdaten nur vor Werbung schützt? Werbung find ich eh noch heilig - die Werbeagenturen/Firmen lassen einen zumindest (abgesehen von der Werbung) in Ruhe, wollen nur dein Geld und können dich ohnehin zu nichts zwingen - find ich.
Beiträge wie dieser, welche zu Themen des "Wissensarchivs" der Denker passen, werden dort übrigens auch verlinkt (und somit auch die Kommentare).
Nun, mit der Werbung ist es auch so ein Problem, ich mußte vor kurzem einen e-mail Account wegen SPAM-Mißbrauch verlegen. Ab einer gewissen Menge kann auch Werbung lästig werden, z.B. ungefragt mitten in Filmen. Ich stimme allerdings zu daß das noch eine der harmloseren Formen des Informationsmißbrauchs ist.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist ja Werbung sogar zu fördern (Stichwort: Markttransparenz -> kommt dem Konkurrenzmechanismus zugute und damit dem Konsumenten durch optimiertes Angebot...). Ein Problem ist allerdings sicherlich, wenn man unbewusst beeinflusst oder einfach überflutet ist. Soviel vom Wirtschaftswissenschaftler :)
PS: Zum eigenen Vorteil sollte man also wohl eine Strategie entwickeln, sinnvolle (Werbe)Informationen auszusortieren! (Und vor allem auch: Firmen mit unsympathischen Methoden nicht fördern! Da müssen wir uns alle in die Verantwortung nehmen!)