Kategorien
Arbeit Buchtipps EU Featured Freiheit Gesundheit Globalisierung Glück Home Politik Recht Soziales Staat Tipps USA Wirtschaft

Länger, härter, besser? „The Way We’re Working Isn’t Working“!

Fabriksarbeit (Bild: Hasana J. Hakenmüller Textilfabrik, Wikipedia)Man müsse bei Amazon lang, hart und smart arbeiten, meinte Jeff Bezos, der Gründer und Chef von Amazon, in einem Brief an seine Shareholder („It’s not easy to work here (when I interview people I tell them, ‚You can work long, hard, or smart, but at Amazon.com you can’t choose two out of three‘)“). Amazon war zuletzt vermehrt wegen unmenschlich harter Arbeitsbedingungen und Umgangstöne in der Kritik, weshalb nun der Journalist, Sachbuchautor und Unternehmensberater Tony Schwartz (u.a. „The Way We’re Working Isn’t Working: The Four Forgotten Needs That Energize Great Performance“ und „The Energy Project„) in der New York Times einen Brief an Jeff Bezos gerichtet hat.

Darin erklärt er, wieso es für eine nachhaltig hohe Unernehmensperformance wichtig sei, die physischen, emotionalen, psychischen und spirituellen Kernbedürfnisse von Mitarbeitern besser zu befriedigen. Die größten Hürden dabei, das beste aus den Menschen zu holen, seien in Unternehmen meist Angst und Erschöpfung. Jeff Bezos wolle zwar immer noch mehr aus den Mitarbeitern herausholen, aber wenig in sie investieren. Die Forschung erkenne jedoch immer mehr, dass der Mensch nicht dazu gemacht sei, ununterbrochen zu arbeiten. Stattdessen seien Erholungsphasen essentiell und lange Arbeitszeiten kein gutes Rezept für höhere Produktivität, und schon gar nicht für höhere Qualität oder Innovationskraft.

Performance hin oder her: Natürlich ist es wichtig, dass ein Mitarbeiter einem Unternehmen mehr nützt als kostet. Und man kann wohl sagen, dass gesunde und freiwillig „nicht-autarke“, also im Markt partizipierende Menschen prinzipiell auch das Bedürfnis haben, „Tauschpartnern“ mehr zu nützen als zur Last zu fallen. Jedoch sollten die Arbeitsbedingungen in demokratischen Staaten primär vom Volk, und nicht von einzelnen Unternehmern oder Politikern, bestimmt werden. Schließlich sind ihnen die meisten Menschen den Arbeitsbedingungen (wie Arbeitsplatz, Einkommen und Freizeit) nicht freiwillig und einen großen Teil ihrer Zeit unterworfen. Und wenn undemokratische Staaten wie China durch unmenschliche Arbeitsbedingungen Sozialdumping betreiben, dann sollten die politischen Vertreter demokratischer Staaten gemeinsam dagegen vorgehen, anstatt mit der Billigkonkurrenz am Weltmarkt das undemokratische bzw. geduldete Herabschrauben der eigenen Standards als unvermeidlich zu rechtfertigen. Und das umso mehr, solange die wirtschaftlich und militärisch stärksten Nationen – zum Glück – vorwiegend demokratischer Natur sind. Das würde auch dem Erfolg unmenschlich autoritärer Regime entgegenwirken und eine menschlichere Entwicklung fördern. In der Praxis jedoch herrscht selbst unter demokratischen und eng verbündeten Staaten ein starker Wettbewerb (Stichworte: Standortpolitik, Lohnstückkostensenkung – z.B. seitens Deutschland im Alleingang als wohl wichtigstes Mitglied der theoretisch auch sozial ausgerichteten EU, etc.) und Arbeitsgesetze werden kaum kontrolliert oder kreativ umgangen (Stichworte: Überstunden, All In-Verträge, Freelancing, Praktika, etc.).

Zumindest Medien, NGOs und Gewerkschaften achten in modernen Staaten auf die Einhaltung gewisser sozialer Mindeststandards, doch ihr Einblick und Einfluss ist beschränkt und nicht immer effizient (man denke z.B. an – wohl nicht nur zum Erhalt von unhaltbaren Privilegien – vermehrt auftretende Streiks). Es wäre deshalb wünschenswert, wenn sich Staaten, Staatenbünde und internationale politische Organisationen mehr um die Einführung und Einhaltung von auf demokratischem Wege bestimmten Mindeststandards bei Arbeitsbedingungen kümmern würden. Vielleicht sind gute Arbeitsbedingungen und glücklichere Mitarbeiter ohnehin besser für Unternehmen als das Gegenteil, wie Tony Schwartz meint. Doch darauf zu warten, dass Unternehmen dies erkennen bzw. solange Ausbeutung noch vielerorts gut zu funktionieren scheint, bedeutet unmenschliche und undemokratische Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, wie nicht nur das Beispiel Amazon zeigt.

5/5 - (2 votes)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

5 × 1 =