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Fleißige Zuwanderer

Kürzlich war in einer österreichischen Tageszeitung (zum Anlass des Siegers der ÖH-Wahl, der iranischer Abstammung ist) wiedereinmal jenes Argument für selektive Zuwanderung ausgeführt, welches besagt, dass man Zuwanderer deshalb ins Land lassen sollte, weil sie tendenziell fleißiger als Einheimische sind. Diese (leider) an prominenter Stelle (im Standard) geäußerte und klar und seriös erscheinende Meinung veranlasste mich dazu, auch meine Gedanken dazu zu fassen, niederzuschreiben und - wenn auch an weniger prominenter Stelle, so doch - zugunsten einer aufgrund der folglich größeren Informationsvielfalt vielleicht besseren kollektiven (politischen) Entscheidung der Öffentlichkeit zur Diskussion vorzulegen.

Dass viele Zuwanderer härter arbeiten (wollen bzw. können) ist den Meisten wahrscheinlich aus dem Alltag bekannt. Gründe dafür können sein, dass sie weniger integriert sind und deshalb mehr für ihr Fortkommen kämpfen müssen, dass sie in ihren ärmeren oder unsozialeren bzw., um es weniger negativ und umfassender auszudrücken, weniger kollektiv auf Ganzheitlichkeit bedachten Herkunftsländern mehr um deren Einkünfte kämpfen mussten, kulturelle Gründe oder welche auch immer (über Begriffe wie "Leistung" bzw. "Fleiß" herrscht im Übrigen oft Einigkeit, obwohl sie eigentlich auch schon gar nicht so klar zu definieren sind bzw. wenn man sich darauf bezieht müssten sie jeweils definiert werden).

Ich bin ein Freund von kultureller und ethnischer Vielfalt (ich habe im Zuge eines Erasmus- und Arbeitsaufenthalts im Ausland selber fast zwei Jahre lang glücklich als Ausländer mit zahlreichen anderen Ausländern und auch Einheimischen zusammengelebt und oft schienen mir "Ausländer" im eigenen Land - und nicht nur, weil sie ökonomisch davon abhängig waren - freundlicher als Inländer) und wünsche mir deshalb sogar mehr kulturelle und ethnische Vielfalt. Doch wenn damit "Sozialdumping" (weniger altruistisch und egoistischer ausgedrückt: ein Absinken der Lebensqualität, weil man sich durch den ökonomischen Zwang zu viel anderen - der Arbeit - und zu wenig sich selbst - der Freizeit bzw. Arbeit für sich selbst und seine Freunde, Verwandten und Bekannten oder für soziale Einrichtungen wie Vereine oder für Hilfsbedürftige - widmen muss: und gerade Österreich hat sich meist dadurch ausgezeichnet (und durch daraus folgende Stabilität etc. auch zu Wirtschaftswachstum verholfen), dass es nicht nur Wert auf Arbeit im herkömmlichen Sinn, sondern auch auf soziale und kulturelle Aspekte gelegt hat) einhergeht, das mindestens eine so starke negative Auswirkung hat wie die positive Auswirkung von mehr menschlicher Vielfalt, dann frage ich mich, worin dann in mehr Zuwanderung noch ein ausreichender Fortschritt liegen soll. Abgesehen davon, dass es faschistisch ist, wenn man nur die leistungsfähigsten Zuwanderer ins Land lässt (vom sozialen Aspekt der Zuwanderung bzw. Beherbergung höre ich viel seltener etwas). Außerdem tut Überheblichkeit langfristig selten gut, und zu glauben, klar zwischen "guten" und "schlechten" Zuwanderern unterscheiden zu können, halte ich auch für überheblich.

ob
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