Zum Thema Kapitalismus passende Textstellen:

 

Konrad Lorenz in: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit

Der Wettbewerb des Menschen mit dem Menschen wirkt, wie kein biologischer Faktor es vor ihm je getan hat, "der ewig regen, der heilsam schaffenden Gewalt" direkt entgegen und zerstört so ziemlich alle Werte, die sie schuf, mit kalter Teufelsfaust, deren Tun ausschließlich von wertblinden, kommerziellen Erwägungen bestimmt ist. 
Was für die Menschheit als Ganzes, ja selbst, was für den Einzelmenschen gut und nützlich ist, wurde unter dem Druck zwischenmenschlichen Wettbewerbs bereits völlig vergessen. Als Wert wird von der erdrückenden Mehrzahl der heute lebenden Menschen nur mehr das empfunden, was in der mitleidlosen Konkurrenz erfolgreich und geeignet ist, den Mitmenschen zu überflügeln...Geld ist ursprünglich ein Mittel...Wie viele Menschen gibt es heute noch, die einen überhaupt verstehen, wenn man ihnen erklären will, dass Geld an sich keinen Wert darstellt? Genau dasselbe gilt für die Zeit...
Man muss sich fragen, was der heutigen Menschheit größeren Schaden an ihrer Seele zufügt: die verblendende Geldgier oder die zermürbende Hast. Welches von beiden es auch sei, es liegt im Sinne der Machthabenden aller politischen Richtungen, beides zu fördern und jene Motivation bis zur Hypertrophie zu steigern, die den Menschen zum Wettbewerb antreiben...ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass neben der Gier nach Besitz oder nach höherer Rangordnungs-Stellung, oder nach beidem, auch die Angst eine sehr wesentliche Rolle [für diese Motivation] spielt, Angst im Wettlauf überholt zu werden, Angst vor Verarmung, Angst, falsche Entscheidungen zu treffen und der ganzen aufreibenden Situation nicht oder nicht mehr gewachsen zu sein...Der hastende Mensch ist nicht nur von Gier gelockt, die stärksten Lockungen würden ihn nicht zu so energischer Selbstbeschädigung veranlassen können, er ist getrieben, und was ihn treibt, kann nur Angst sein.
Ängstliche Hast und hastende Angst tragen dazu bei, den Menschen seiner wesentlichsten Eigenschaften zu berauben. Eine von ihnen ist die Reflexion...
Eine der bösesten Auswirkungen der Hast oder vielleicht unmittelbar der Hast erzeugenden Angst ist die offenkundige Unfähigkeit moderner Menschen, auch nur kurze Zeit mit sich selbst allein zu sein. Sie vermeiden jede Möglichkeit der Selbstbesinnung und Einkehr mit einer ängstlichen Beflissenheit...Für die um sich greifende Sucht nach Lärm, die bei der sonstigen Neurasthenie moderner Menschen geradezu paradox ist, gibt es keine andere Erklärung als die, dass irgend etwas übertäubt werden muss...
Obwohl sie von frühester Kindheit an darauf dressiert werden, in allen wahnsinnigen Auswüchsen des Wettbewerbes Fortschritte zu sehen, schaut den gerade fortschrittlichsten unter ihnen die sie treibende Angst am deutlichsten aus den Augen und die tüchtigsten und am meisten "mit der Zeit gehenden" sterben besonders früh an Herzinfarkt...
Die große Masse der Konsumenten ist dumm genug, um sich die Lenkung mittels der durch Meinungs- und Werbungsforschung ausgearbeiteten Methoden gefallen zu lassen...
Die Luxusbildungen, die als Folge des Teufelskreises einer rückgekoppelten Produktions- und Bedürfnissteigerung auftreten, werden den westlichen Ländern, vor allem den USA, früher oder später dadurch zum Verderben werden, dass ihre Bevölkerung gegen die weniger verwöhnte und gesündere der östlichen Länder nicht mehr konkurrenzfähig sein wird. Seitens kapitalistischer Machthaber ist es daher äußerst kurzsichtig, das bisherige Verfahren beizubehalten, das darin besteht, den Konsumenten durch Erhöhung seines "Lebensstandards" dafür zu belohnen und so darauf zu "konditionieren", dass er in seinem blutdruckerhöhenden, nervenzermürbenden Wettlauf mit seinem Nächsten fortfährt.

Das Wegschmeißen kaum angebrauchter Güter zwecks Erwerbung neuer, das lawinenartige Anwachsen von Produktion und Verbrauch aber ist nachweislich und zweifellos ebenso dumm wie schlecht – im ethischen Sinne diese Wortes. In dem Maße, in dem das Handwerk durch die Konkurrenz der Industrie ausgerottet wird und in dem der kleinere Unternehmer, einschließlich des Bauern, existenzunfähig wird, sind wir alle gezwungen, uns in unserer Lebensführung den Wünschen der Großproduzenten zu fügen, die Nahrungsmittel zu fressen und die Kleidungsstücke anzuziehen, die sie für uns für gut befinden, und was das Allerschlimmste ist, wir merken kraft der uns zuteil gewordenen Konditionierung gar nicht, dass sie dies tun.

Konrad Lorenz in: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, 1973 (Angebot: Buch)

 

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Henry David Thoreau in Walden:

The nation itself, with all it’s so-called internal improvements, which, by the way are all external and superficial, is just such an unwieldly and overgrown establishment, cluttered with furniture and tripped up by its own traps, ruined by luxury and heedless expense, by want of calculation and a worthy aim, as the million households in the land; and the only cure for it, as for them, is a rigid economy, a stern and more than Spartan simplicity of life and elevation of purpose.

But the only true America is that country where you are at liberty to pursue such a mode of life as may enable you to do without all these [coffee, tea, meat, butter à unnecessary luxury], and where the state does not endeavour to compel you to sustain the slavery and war and other superfluous expenses which directly or indirectly result from the use of such things. […]

I should be glad if all the meadows on the earth were left in a wild state, if that were the consequence of men’s beginning to redeem themselves. A man will not need to study history to find out what is best for his own culture…

 

Henry David Thoreau in: Walden (Angebot: Buch, deutsche Version; weitere Textstellen aus Walden und seine kompletten Essay On the Duty of Civil Disobedience - die deutsche Version Über die Pflicht des zivilen Ungehorsams ist auch als Hörbuch erhältlich - finden Sie unter Gesammeltes/Anstößiges/Thoreau)

 

 

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(1) Die Kapitalismuskritik der kritische Gesellschaftstheorie (Habermas, Offe):

 Modern-kapitalistische Gesellschaften haben sich auf einen Vergesellschaftungsmodus eingelassen, der Marktprozesse in einer Weise freisetzt, dass sie dazu tendieren, die natürlichen und kulturellen Grundlagen von Vergesellschaftung zu untergraben:

- sie funktionieren in einer nicht sozialverträglichen (-> materielle und moralische Verelendung breiter Bevölkerungsteile) und umweltverträglichen (-> Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen, Umweltverschmutzung) Weise, und sind insofern für große Teile nicht akzeptabel;

- wird der Versuch unternommen, sie sozial- und umweltverträglich zu gestalten, funktionieren sie nicht mehr.

Kritische Theorien analysieren diesen "Grundwiderspruch" in seinen wechselnden Erscheinungsformen und identifizieren die programmierten Gewinner/Proponenten und Verlierer/Opponenten der Marktgesellschaft mit wissenschaftlichen Mitteln; kritisieren den gesellschaftlichen Zustand "immanent" am von der Gesellschaft selbst als ihre Legitimationsgrundlage anerkannten normativen Maßstab "Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit; und legen ihre Forschungsergebnisse der politischen Öffentlichkeit vor - als Grundlage für deren autonome politische Selbstaufklärung.

 ...drei Phasen der kapitalistischen Entwicklung:

     (a)   Liberalkapitalismus: Im Liberalkapitalismus kommt es infolge einer ungebändigten Eigendynamik des Subsystems Ökonomie zu einer Kolonialisierung der Lebenswelt durch das Geldmedium, das Steuerungsmedium der Ökonomie, und zwar in Form einer „Monetarisierung sozialer Beziehungen“. Gegen diese Kolonialisierung richtet sich der soziale Protest der durch diese Kolonialisierung existenziell betroffenen gesellschaftliche Gruppe bzw. Klasse: das Proletariat.

     (b)   Spätkapitalismus Das „sozialdemokratische Jahrhundert“ (Dahrendorf) ist durch das gesellschaftspolitische Projekt der Bearbeitung dieser Kolonialisierung durch das wirtschafts- und sozialpolitische Projekt des Sozialstaates unter Einbeziehung aller Staatsbürger/innen („Massendemokratie“) gekennzeichnet.
Dieses sozialstaatliche Projekt hat im Maße seiner erfolgreichen Realisierung und der dadurch erreichten „Entproletarisierung des Proletariats“ an  Legitimität und Unterstützung eingebüßt – zumal das dabei eingesetzte vermeintlich neutrale Instrument „staatliche Macht“ sich seinerseits als sozial pathogenes Medium der Kolonialisierung, und zwar in der Form der „Bürokratisierung sozialer Bewegungen“, erwiesen hat.

     (c)    Phase der nach-wohlfahrtsstaatlichen „Unübersichtlichkeit“: Auf der Tagesordnung steht nunmehr die Zähmung des Staates, ohne dabei im Kontext einer fortschreitenden Globalisierung die Zügel der Ökonomie aus den Händen zu verlieren.
So ist am „Ende des Sozialdemokratischen Jahrhunderts“ (Dahrendorf) abermals Protest angesagt – diesmal der Protest, der in den „neuen sozialen Bewegungen“ – Studenten-, Umwelt-, Frauen-, Friedens-, Schwulen- und Lesbenbewegung etc. - seinen sozialen Ausdruck findet und sich in deren „autonomen Öffentlichkeiten“ artikuliert, aber auch der von den neuen rechtspopulistischen Parteien mit mehr oder weniger rechtsextremen Elementen im Sinne einer umgekehrten Psychoanalyse (Löwenthal) für ihre Machtinteressen funktionalisierte Protest.

 (aus einem soziologie-uni-handyout)  

Im Gegensatz zu früher und zur Entwicklungsprognose großer Teile der marxistischen Orthodoxie sind diese [unqualifizierten, körperlichen Arbeiten] nicht mehr strukturbestimmend, geraten auf längere Sicht vielmehr gegenüber dem dominanten Typus von Arbeit in eine marginale Position, die sie für eine breite soziale Identitätsbildung nicht sonderlich tauglich macht. Sie stellen eher die Restarbeit dar, der jeder, der es qualifikatorisch kann, entfliehen möchte, als dass sie Quelle eines positiv besetzten Zusammengehörigkeitsgefühls wären.

Habermas hat mit seiner These von der zunehmenden „Kolonialisierung der Lebenswelt“ hierzu [mehr Autonomie in den privaten Lebenszusammenhängen] schon das Gegenargument geliefert. Es könnte sein, dass die Fremdbestimmung des Individuums als Konsument über den Markt mindestens ebenso groß ist wie die in der Arbeit....Vielleicht verstellt uns gerade diese These auch den Blick für antiimperialistische Subversion, die sich in der Kolonie längst formiert hat.

(textauszüge)

 

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Interessant ist, dass er sagt, Kriege seien nur durch die Liebe zum Gelde verursacht und dass Geld allein für den Dienst am Körper benötigt werde. Die erste Hälfte dieser Ansicht deckt sich mit der von Marx, die zweite jedoch gehört in ein ganz anderes Anschauungsgebiet. Plato glaubt, ein Mensch könne mit sehr wenig Geld leben, wenn er seine Bedürfnisse auf ein Mindestmaß heruntersetzt, was zweifellos richtig ist. Er meint aber auch, dass ein Philosoph nicht von seiner Hände Arbeit zu leben brauchte; er sit also darauf angewiesen, von dem zu leben, was andere erarbeitet haben. In einem sehr armen Staat dürfte es demnach wahrscheinlich keine Philosophen geben. Nur der Imperialismus Athens zur Zeit des Perikles ermöglichte es den Athenern, sich der Philosophie zu widmen. Im allgemeinen sind geistige Güter ebenso kostspielig wie materielle Annehmlichkeiten und von wirtschaftlichen Bedingungen ebenso abhängig. Die Wissenschaft braucht Bibliotheken, Laboratorien, Teleskope, Mikroskope und so fort, und die Wissenschaftler müssen von der Arbeit anderer leben. Der Mystiker jedoch hält all das für Torheit. Der indische oder tibetanische Heilige braucht keine Apparate; er trägt nur einen Lendenschurz, nährt sich ausschließlich von Reis, und die Mildtätigkeit, von der er lebt, fällt recht mager aus, da man ihn ja für weise hält. 

Bertrand Russel über Plato in: Philosophie des Abendlandes, 1945 (Angebot: Buch)

 

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Arbeitsteilung
Die wirtschaftsimmanente Arbeitsteilung bedingt Spezialisierung, welche, neben den positiven Aspekten wie effektivere, schnellere Zielerreichung (durch besseres Ausnutzen von Fähigkeiten [à Spezialisten], durch positive Lerneffekte...), zu negativen Auswirkungen wie

führt. Eine dazupassende Textstelle:
‚Wir sind alle nur mit einem begrenzten Problemlösungsvermögen ausgestattet, das es uns leider nicht erlaubt, beides im an sich gebotenen Umfang zu tun: hochkomplexe und vielfach miteinander verwobene Probleme in ihrer gesamten Tiefe zu erfassen. Ein wenige ähnelt der Konflikt zwischen präskriptiver [vorschreibender, Anm.] und deskriptiver [beschreibender, Anm.] Entscheidungstheorie dem Spannungsfeld zwischen Spezialisten und Generalisten in nahezu allen Bereichen unseres Lebens. Wir

 

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Individuell-Kommunal?
"Individuelle Rationalität (worauf die Wirtschafttheorie basiert, Anm.) kann zu kollektiver, völliger Unvernunft führen."
Eine dazu noch passende Textstelle:
'Wenn jede Unternehmung das ökonomische Prinzip* in eigener Kompetenz anwendet und dabei eine höchstmögliche Erreichung der eigenen Ziele anstrebt, so kann sich das auf die volkswirtschaftliche Gesamtheit positiv oder negativ auswirken. In der Geschichte findet man Beispiele beider Auswirkungen.
Es gehört zu den Grundüberzeugungen der Verfechter einer Marktwirtschaft, wie sie beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland realisiert ist, dass die Zielautonomie der Unternehmer und die individuelle unternehmerische Anwendung des ökonomischen Prinzips sich überwiegend positiv auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirken. Einschränkungen sind nach ihrer Meinung nur dort erforderlich, wo die Gefahr negativer gesamtwirtschaftlicher Auswirkungen besteht. Solche Einschränkungen können beispielsweise durch Gesetze (Kartellgesetz u.a.) vorgenommen werden.
Die Kritiker der Marktwirtschaft und Anhänger einer sozialistischen Wirtschaftsordnung stellen dagegen die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der individuellen unternehmerischen Kompetenz, bei eigener Zielwahl das ökonomische Prinzip anzuwenden, in Frage. Sie präferieren eine Verstaatlichung der Unternehmungen und zentralisieren damit die Kompetenz der Zielfestlegung und der Verwirklichung des ökonomischen Prinzips.
Es ist heute keineswegs geklärt, ob die Argumente der Marktwirtschaftler oder die der Anhänger sozialistischer Wirtschaftssysteme objektiv richtiger sind. Dass beide Systeme sowohl Vorteile als auch Nachteile gegenüber dem anderen aufweisen können, wird dagegen von niemandem ernsthaft bestritten.'
* Anmerkung: Das ökonomische Prinzip kann sein: Maximumprinzip (maximaler Output bei gegebenem Input), Minimumprinzip (minimaler Input bei gegebenem Output) oder Generelles Extremumprinzip (Input und Output nicht vorgegeben, deshalb wird Input und Output so abgestimmt, dass ökonomischer Prozess optimiert wird). Unter Input wird u.a. Aufwand (z.B. Arbeitsleistung) bzw. Mitteleinsatz und unter Output u.a. Ertrag (z.B. Bedürfnisbefriedigung) bzw. das Ergebnis verstanden. (Müller-Merbach, 1976)

Marktwirtschaft vs. Sozialismus 2: In einem richtungsweisenden Aufsatz aus dem Jahre 1945 hat Friedrich Hayek die These aufgestellt, dass der wesentliche Vorteil, den ein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem gegenüber anderen, speziell zentralverwaltet-sozialistischen Systemen aufzuweisen hat, die Tatsache ist, dass es Informationen in äußerst effizienter Weise verarbeitet: Über den Marktpreis signalisieren die Marktteilnehmer den anderen und insbesondere den Produzenten ihre Bedürfnisse, über die Marktpreise wird über relative Knappheiten informiert, über die Marktpreise werden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten intensiviert oder deintensiviert etc.; der Markt erweist sich "to be a more efficient mechanism for digesting dispersed information than any that man has deliberately designed." (Schredelseker zum Markt als Informationsverarbeitungssystem, S 405)

 

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Clawfinger's Yuppi-Kritik (Liedtextauszug):

 

pay the bill

i can't complain i've made myself a name
and all I really want is five minutes of fame
some material wealth and life in good health
cos all I really care about is myself
I don't know a single thing about the situation
but why should I care about the next generation
I've got everything I need but I still want more
I can't understand why you complain cos you're the poor
I don't feel sorry for you we've got the same possibilities
it's all about taking your own responsibility
I took mine so I deserve what I got
I've got my name on the wall of fame I'm going straight to the top
it cost me a lot of money but I took my degree
and that's the biggest difference between you and me
there's not a thing in the world that my money can't buy
I can't understand why you didn't even try
so why complain I feel no shame I've used my skill
and the next generation has to pay the bill…
you can't blame me because you're underfed
you should be glad that you've got a roof over your head
if you worked for a living you could pay your rent
instead of begging me for help when all your moneys spent
you wont ever fool me because I know your type
I see you standing on the corner like a parasite
you're a loser and you know it but you don't even care
I can't understand why you say life aint fair…
[es folgt die antwort eines "poor man"]

 

 

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Der Mensch - ein Mangelwesen?

Freiheit schützt nicht vor dem Scheitern. Deshalb geben manche Menschen lieber der Sicherheit den Vorzug vor der Freiheit. Sie versuchen, ihr Leben zu sichern, indem sie einfach nur ihre Bedürfnisse befriedigen. Mit anderen Worten: sie wollen das, was ihnen von der Gesellschaft gestattet ist, zu wollen. Aber sind Menschen in ihrem Kern Bedürfniswesen, die nur versorgt werden wollen? Ist der Mensch nicht durch weit mehr motiviert?
‚Wünsche sind der Vorschein unserer Fähigkeiten, die in uns liegen.' (Goethe) ...wundervolle Formulierung, da ist nämlich das Wünschen mit meinem Vermögen, mit meinem Können, mit meiner Potentialität, mit der in mir liegenden Möglichkeit noch verbunden. Und das hat mich dazu angeregt, zu sagen: diese Behauptung, dass das menschliche Handeln erklärbar ist dadurch, dass wir Bedürfnisse haben (also Ökonomen sagen ja, der Mensch ist ein bedürftig Wesen, und Bedürfnisse sind das Gefühl eines Mangels verbunden mit dem Bestreben, ihn zu beseitigen. Das ist ökonomische Definition.)... das bedeutet aber: der einzige Beweggrund den ich habe, ist der des Mangels. Und ich glaube, dass dieser Beweggrund des Mangels eine ziemlich junge Erscheinung ist*, während es einen viel älteren Beweggrund für Menschen gegeben hat, nämlich die Fähigkeit. Die Ahnung, dass ich etwas vermag, dass ich etwas kann, dass in mir Möglichkeiten schlummern, die gehoben sein wollen, das könnte doch ein Antrieb sein, der von ganz anderer Art ist. Dann ist nämlich nicht das Gefühl eines Mangels verbunden mit dem Streben, ihn zu beseitigen die Antriebskraft für menschliches Handeln sondern das Gefühl eines Überschusses verbunden mit dem Bestreben, ihn zur Erscheinung zu bringen, ihn zu realisieren, ihm eine Gestalt zu geben. Dann ist plötzlich eine völlig andere Vorstellung des Mensch-Welt Verhältnisses im Spiel, also nicht, dass ich die Welt abkassieren muss ist dann das Entscheidende, reinlutschen muss, was sie mir zu bieten hat, sondern dass mein Weltverhältnis bestimmt ist durch meine Möglichkeit, ihr etwas zu geben, an ihrer Gestalt tätig zu sein. Und das ist natürlich sinnstiftend, wenn Sie so wollen. Wenn ich mich im Wert meiner Hände betrachten kann, wenn ich mich darin wiedererkenne, wenn ich an dem Ausfluss dessen, was aus mir heraus freigesetzt wurde, im Scheitern oder Gelingen - das gehört beides dazu! - mich erkenne, dann brauch ich mir um meinen Sinn nicht viele Sorgen zu machen. In einem Radiokolleg, Dezember 2002

* Anmerkung von ob: Also erstens würde ich die ökonomische Sicht des Mangels nicht so negativ sehen, weil das ja nicht für alle Lebensbereiche behauptet werden muss (und Bedürfnisse zu leugnen, kann sich wohl nur ein Wohlstandsmensch leisten, dem es an nichts fehlt. Viele Menschen würden sich wahrscheinlich einen ökonomischeren Umgang mit knappen Gütern wünschen!) und zweitens kann ich auch nicht damit übereinstimmen, dass der Beweggrund des Mangels eine ‚ziemlich' junge Erscheinung ist: warum ist z.B. vor tausenden Jahren der Mensch auf die Jagd gegangen? Nur so zum Spaß? Jedenfalls sollte man solche Äußerungen nicht für das Leben allgemein, für alle Lebensbereiche machen.

 

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Zum Thema "Freizeit"

Es gibt eine Menge guter, ehrlicher Arbeit im Freien, auch in den ländlichen Gegenden Frankreichs sitzt man auch oft genug in Straßencafés und unterhält sich, und in Indien hockt man auf geflochtenen Bettgestellen und raucht Wasserpfeife. Ich habe in Gemeinden gelebt, die in jeder Beziehung genau so waren wie mittelalterliche bäuerliche Gemeinschaften, und ich war immer erstaunt, wieviel Freizeit und Müßiggang es dort gab. Aber der moderne westliche Mensch möchte gern glauben, dass das Leben in alten Zeiten die Hölle war - das verschafft ihm ein gutes Gefühl und rechtfertigt in seiner Vorstellung seine eigenen Übergriffe auf die übrige Natur. Alles ist gerechtfertigt, wenn es das großartige Leben in Birmingham oder Pittsburgh ermöglicht; schließlich möchte man doch nicht wieder zurück in einem Fünfzehn-Stunden-Arbeitstag an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr, oder? (John Seymour, weitere Textstellen unter Gesammeltes/Anstößiges/Seymour)

 

 

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Weitere Textstellen (ohne Inhaltsverzeichnis)

...nach Entdeckungszeitpunkt geordnet (ältere Texte zuerst). Aus Faulheit bzw. Zeitmangel werden wir nicht mehr jeden weiteren (neu hinzukommenden) Text direkt im Inhaltsverzeichnis verlinken! Vielleicht finden wir später irgendwann einmal Zeit dazu - oder ein Verleger :)

 

TEXTSTELLE ZUM THEMA UMVERTEILUNG

Ein Plädoyer für Umverteilung (bzw. deren Sinn oder gar Notwendigkeit wird aufgezeigt) finden Sie z.B. im Buch Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik (2. Auflage, unveränderte Studienausgabe, Tübingen (Mohr) 1992) des wirtschaftswissenschaftlichen Autors E. Sohmen am Ende des (?) zehnten (?) Kapitels oder / bzw. S. 356-376 (speziell zu beachten auch das Problem / die Diskussion um die Vernachlässigung der Intensität der individuellen Wertungen / der Präferenzintensität aufgrund der Nicht-Anwendbarkeit des kardinalen Nutzenmesskonzepts und der Verwendung des ordinalen...); von seiner Ansicht der "Effizienz" eines Zwei-Parteien-Systems, die er auch ausdrückt, möchte ich (ob) mich aber eher distanzieren, weil ich noch eher autoritätskritisch eingestellt bin (auch ein Professor meinerseits - J. Nussbaumer - meinte dazu einmal, dass ein oft abfällig als "Debattierklub" bezeichnetes Parlament auch seine Vorteile habe); entdeckt in einem Kurs über Wirtschaftspolitik (WS 04/05)

 


Siehe auch: Politik/Textstellen/Zur internationalen Politik (> fehlenden Solidarität, Opportunismus, Imperialismus)

ZUM IMPERIALISMUS MIT WIRTSCHAFTLICHEN MITTELN (ERMÖGLICHT DURCH AUSNUTZUNG WIRTSCHAFTLICHER UNGLEICHENTWICKLUNG) - (und drohenden Problemen und Spannungen aus der Abhängigkeit), Titel ob

Auszüge aus dem Buch: El imperio frente a la diversidad del mundo von Sami Nair, ISBN 8497933877

 

Wirtschaftspolitik/ -ordnung nach den Vorstellungen Walter Eucken´s

Konzept einer sozialen (bzw. ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen) und effizienten (i.S.v. Abwesenheit von Verschwendung) Wirtschaftspolitik (/ -ordnung: Soziale Marktwirtschaft, eigtl. Ökosoziale Marktwirtschaft) nach Walter Eucken (aus dem Referat Die ordnungspolitischen Konsequenzen des paretianischen Tauschoptimums im Vergleich zu Walter Euckens konstituierenden Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft, das im Rahmen eines Kurses über die Theorie der Wirtschaftspolitik im WS04/05 gehalten wurde; siehe v.a. die Unterkapitel 1.2 und 1.3; der Professor merkte - wenn ich mich richtig erinnere - zu Eucken an, dass einige darin eine "revisionistische Theorie" oder so sehen mögen)

 

Theorie der Wirtschaftspolitik

 

Zur Bedeutung von Besitz (und Geschenken)

(...aus biopsychologischer/humanethologischer Sicht)

Besitz und das Streben danach gehören zu den menschlichen Universalien. Wir leben mit großer Selbstverständlichkeit damit und bedenken kaum, welche Normen jenes Verhalten beeinflussen, das mit Eigentum und Besitzstreben in Zusammenhang steht. Ein Teil der Normen entstammt unserem biopsychischen Programm. ... Stammesgeschichtlich betrachtet gibt es bei Tier und Mensch verschiedene Formen des Umganges mit Ressourcen und Besitz. ... Bei Menschenaffen und Menschen sind Geben und Nehmen Bestandteile sozialer Strategien, sie helfen u.a., Bindungen zu stiften und zu erhalten. ... Ein Äquivatent des Abgebens von Dingen sind »verbale Geschenke« wie Komplimente und gute Wünsche. Mit diesen Geschenken sind wir vor allem dann besonders großzügig, wenn es gilt, beim Abschied vor einer längeren Trennung die Bindung zu bekräftigen. In manchen Kulturen kann Geben und Nehmen auch die Funktion einer Sozialversicherung haben (SCHIEFENHÖVEL, 1986). ... Diese Programme sind selbst durch ausgekügelte Propaganda nicht beliebig veränderbar, wie der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten gezeigt hat. Einer ihrer Kardinalfehler war, die Durchschlagskraft des individuellen Strebens nach Besitz zu verkennen. Normen, die mit Besitz in Zusammenhang stehen, werden von manchen Wissenschaftlern noch immer ausschließlich als Ergebnis soziokulturellen Lernens angesehen, obwohl die humanethologische Forschung belegt, daß die menschlichen Besitznormen Verschränkungen aus biologischem Erbe und kulturell Erlerntem sind. Es wird vermutlich weder durch Erziehung noch durch politische Beeinflussung gelingen, Kinder so aufwachsen zu lassen, daß sie kein Besitzstreben zeigen.

Aus: Stufen des Erkennens im Verlauf der Stammesgeschichte von Gerhard Medicus in ISBN 3851145496, S. 188ff
 

 

Zur guten Seite der Arbeitslosigkeit

oder Ja zur Arbeitslosigkeit!

Auszüge aus einem auch von Radio Österreich 1 in einer Sendung über die "Zukunft der Arbeit" am 17.1.2006 ausführlich zitierten und gelobten Artikel aus dem Wirtschaftsmagazin brand eins:

"... Automation und Fortschritt, Wissensarbeit und Kapitalismus vernichten Arbeitsplätze. Und das ist gut so. ..." (brand eins 7/05, S. 50)

"... Jobs gibt es keine und auch nichts zu tun, was für irgendjemanden Sinn ergeben könnte. ..." (brand eins 7/05, S. 50)

"... All das spielt, wie gesagt, nicht in einer Irrenanstalt, sondern in Deutschland. ..." (brand eins 7/05, S. 51)

"... Was kostet es, haben zu wollen, was es nicht mehr gibt? In Eidelstedt und anderswo ist der Preis klar: die Würde. ..." (brand eins 7/05, S. 51)

"... Die drei Jungenten sind gewiss nicht faul. Aber sie kennen den Unterschied zwischen Arbeit und Tätigkeit, zwischen sturer Routine und kreativem Problemlösen. ..." (brand eins 7/05, S. 51)

"... Zu keinem Zeitpunkt des Industriekapitalismus, der seit fast zwei Jahrhunderten währt und der ohne Zweifel die meisten Beschäftigten aller Zeiten generierte, gab es so etwas Ähnliches wie Vollbeschäftigung für mehr als einige kurze, außergewöhnliche Jahre. Was die Arbeitswütigen meinen, umschreibt den Zeitraum von Anfang der fünfziger bis Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das ist die Zeit, die bis heute als unverrückbares Ziel dieser Gesellschaft beschworen wird: das deutsche Wirtschaftswunder. Es stützt sich allerdings auf 60 Millionen Tote, die Opferzahl des Zweiten Weltkriegs. ..." (brand eins 7/05, S. 51)

"... In der Welt der Arbeit ist nichts, wie es scheint. Arbeit, genauer: Erwerbsarbeit, galt den antiken Denkern als so ziemlich das Letzte. Man unterschied, wie heute wieder, Arbeit und Tätigkeit. Das eine sicherte die nackte Existenz und entsprang immer den Notwendigkeiten. Das andere hingegen beschrieb, was Menschen gern und freiwillig tun, selbst dann, wenn es besonderer Leistungen und Anstrengungen bedurfte. Bei den alten Germanen wurde das Wort für Knecht und Arbeit schließlich eins: orbu. Das englische Wort Labour hat seinen Ursprung im lateinischen labor. Labor heißt: Mühe. ..." (brand eins 7/05, S. 52)

"... Im Mittelalter gab es wenigstens 50 strikt arbeitsfreie Tage im Jahr. Anstrengenden Arbeitsphasen, etwa in der Erntezeit, folgten längere Abschnitte, in denen nur wenig gearbeitet wurde. ..." (brand eins 7/05, S. 52)

"... Das Ziel jeder Produktivitätssteigerung ist es, mehr Ergebnis mit weniger Aufwand zu erzeugen, von den Physikern auch Arbeit genannt. Automation ist die Folge intensiven Nachdenkens. Die logische Folge: Je mehr Kopfarbeiter schuften, desto weniger bleibt für Handarbeiter übrig. Das liegt daran, dass Kopf- oder Wissensarbeiter nahezu immer darüber nachdenken, welche Prozesse in der Entwicklung oder Produktion verbessert werden können. ..." (brand eins 7/05, S. 53)

"... Während also, ganz nach Plan, die alte Plackerei durch Technik, Fortschritt und Wissensarbeit beendet wird, haben all jene, die sich nicht mehr plagen müssen, ständig ein schlechtes Gewissen. ..." (brand eins 7/05, S. 53)

"... Und die Konsequenz daraus, dass mit Arbeit künftig kein Staat mehr zu machen ist, wird vom Establishment geleugnet. ..." (brand eins 7/05, S. 53)

"... Schlimm ist die aktuelle Lage nur, weil wir sie immer nur von einer Seite sehen: Ohne Erwerbsarbeit ist der Mensch kein Mensch. Dabei ist das Fiasko der Arbeitsgesellschaft nichts weiter als der Erfolg des Kapitalismus. Seine Fähigkeit, mit immer weniger Leistung immer bessere Ergebnisse zu erzielen, schafft Arbeitslosigkeit. Von Übel ist das nur, weil wir unsere wirklichen Siege nicht wahrnehmen. ..." (brand eins 7/05, S. 54)

"... Die Kräfte, die sich am Vollerwerbsmodell festkrallen, rechnen mit Wundern. Umverteilung der Arbeit soll das Schlimmste verhindern. Das ist schon oberflächlich betrachtet grober Unfug. Selbst in längst vergangenen Zeiten, als die meisten Menschen nur stupide, leicht einstudierbare Arbeit in Fabriken leisteten, ließ sich das kaum realisieren. Wenn Arbeit aber vor allem geistige Tätigkeit ist, also Wissensarbeit – wie sollte Umverteilung dann funktionieren? Durch Gehirntransplantationen? ..." (brand eins 7/05, S. 54)

"... Bereits vor einem guten Jahrhundert war diese Entwicklung absehbar und eine Lösungsidee auf dem Tisch. Im Jahr 1912 erschien ein Buch des österreichischen Ingenieurs und Schriftstellers Joseph Popper-Lynkeus, der unter den Intellektuellen aller Nationen für Furore sorgte. In mehr als 30 Sprachen übersetzt, formulierte Popper-Lynkeus darin seine Theorie von der „Allgemeinen Nährpflicht“, die nichts anderes besagt, als dass Teile der durch Automation erzielten Produktivitätsgewinne zu einer Grundsicherung aller Staatsbürger führen müssten. Die Idee eines an keine Bedingungen geknüpften Grundeinkommens, das mit minimalem bürokratischem Aufwand verteilt und zur Vermeidung der elementarsten Existenzsorgen dienen sollte, faszinierte etwa Albert Einstein, der im „Recht auf Arbeit“ nichts anderes erkennen konnte als das „Recht auf Zuchthaus“. ..." (brand eins 7/05, S. 54)

"... Ökonomen und Sozialwissenschaftler plädieren seit Jahrzehnten dafür, die vorhersehbaren Folgen der ausklingenden Arbeitsgesellschaft durch ein Grundeinkommen für alle Bürger abzufedern. Der Unterschied zur Sozialhilfe und ihre vielfältigen Erscheinungsformen ist einfach: Ein Grundeinkommen, auch Bürgergeld genannt, wird ohne Prüfung, bedingungslos sozusagen, jedem Staatsbürger zuerkannt. Es dient der Sicherung der Existenz. Es wird bezahlt wie ein Gehalt und ersetzt in fast allen bekannten Modellen die Vielzahl öffentlicher Almosen, die den Sozialstaat heute so heillos überfrachten. ..." (brand eins 7/05, S. 55)

"... Langsam sei die Voraussetzung geschaffen, dass sich die Energie verzehrenden Existenzängste und Nöte der Menschen in positive Bahnen lenken lassen: „Die Arbeitslosigkeit ist das Resultat eines riesigen Erfolges – des gelungenen Projektes, mit immer weniger Arbeit immer mehr zu produzieren. ... Der Druck, der auf Jugendlichen lastet, ist der Feind jedes Wagnisses. Die werden von allen Seiten angelabert, dass sie sich einen der wenigen noch verfügbaren Vollerwerbs-Arbeitsplätze erkämpfen sollen. Deshalb riskieren sie nichts. Sie haben Angst, unter die Räder zu kommen.“ ..." (brand eins 7/05, S. 56)

"... „Das kriegen die Leute kulturell nicht geregelt“, sagt er. Kein Zweifel: Nolte hält das Gros der Bevölkerung für faul und willenlos. Die Masse entwickle Engagement bestenfalls darin zu fordern – stets Neues und immer mehr. Druck und Zwang, meint Nolte, blieben zuverlässige Gesellen beim Aufbau eines neuen Wertekanons einer künftigen Erwerbsgesellschaft. Dazu gehört die Bereitschaft, in den vorhandenen Rahmen zu denken und zu parieren: „Die Formel 8-8-8 hat sich historisch enorm bewährt.“ Paul Nolte redet nicht über Kabbalistik oder esoterischen Zahlenzauber, sondern über die klassische Zeiteinteilung der Industriegesellschaft, der ordentlichen Welt von gestern. Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden pennen. Und dann wieder von vorn. Für Nolte ist das „eine anthropologisch logische Sache“. ..." (brand eins 7/05, S. 56)

"... Der Historiker steht mit dieser Meinung einer wachsenden Zahl von Ökonomen gegenüber, die im Konsum nicht das Problem, sondern die Lösung der Krise sehen. Genauer: in der höheren Besteuerung von Konsum aller Art. ..." (brand eins 7/05, S. 57)

"... Peter Glotz, der in den achtziger Jahren zu den schärfsten Kritikern eines bedingungslosen Grundeinkommens zählte, hat inzwischen Zweifel: „Ich weiß wirklich nicht, wie man ein Grundeinkommen, das den Namen auch verdient, finanzieren sollte. ..." Heute sieht er die Sache anders: „Kein Mensch würde nur auf die Grundsicherung vertrauen. Die würden schon weiterhin was tun.“ Doch ein Problem sei geblieben: „Keine Partei findet das gut. Denn an der Arbeit hängt auch die Macht der Parteien und Organisationen.“ Das Gerede von der Arbeit als einzigem Sinnstifter unserer Existenz ist ein „Herrschaftsinstrument“, wie Ralf Dahrendorf schon vor mehr als zwei Jahrzehnten erkannte: Nicht um die Arbeit gehe es den Machthabern, sondern um sich selbst, um die Möglichkeit, den Reichtum der Bürger so zu verteilen, wie es ihnen passt. Deshalb sind die Mächtigen um die Arbeit besorgt, sagt Dahrendorf: „Wenn sie ausgeht, verlieren die Herren der Arbeitsgesellschaft das Fundament ihrer Macht.“ ..." (brand eins 7/05, S. 57)

"... „Wenn wir so weitermachen, treiben wir das untere Drittel der Gesellschaft in Kriminalität und Chaos. Das wird vor allem auch für die ungemütlich, die etwas besitzen. Wollen wir die Leute, die in zehn, zwanzig Jahren bei Siemens arbeiten, mit Polizeischutz zur Arbeit bringen, damit sie nicht ausgeraubt werden?“ Es gehe vor allem auch um die Rechte der anderen. Das wichtigste Argument für ein Grundeinkommen ist nicht moralischer Natur – es ist schierer Egoismus, der Wille derer, die vorankommen wollen. Deshalb sprechen sich heute vor allem Marktbefürworter für ein Grundeinkommen aus: Es passt zum Kapitalismus. Es ist gut für den Markt. ..." (brand eins 7/05, S. 58)

"... „Vieles in der Debatte um ein Grundeinkommen ist einfach zu moralisierend. Natürlich hat niemand ein Recht darauf – woher sollte das auch kommen? Es geht mir um andere Fragen: Was nützt ein Grundeinkommen denen, die noch in der Erwerbstätigkeit sind, und was nützt es Unternehmen?“ Die nahe liegendste Antwort ist: eine weit billigere Sozialbürokratie als heute, bei der die Kosten für die Verwaltung zuweilen die der ausgezahlten Mittel übertreffen. Darüber hinaus könnte ein Grundeinkommen dafür sorgen, dass aus Mc-Jobs und Gelegenheitsarbeiten ganz normale, durchaus sozialverträgliche Tätigkeiten werden können. ..." (brand eins 7/05, S. 58)

"... Unser ökonomisches System ist ausgezeichnet für eine effiziente Produktion geeignet, für das Schaffen technischen Fortschritts, der allen nützt. Das Verteilungsproblem aber kann es weniger gut lösen. Der Markt und das Soziale gehören zusammen, als sich ergänzende Systeme, die man nicht vermischen sollte.“ Ein System entlastet ein anderes, von dem es letztlich lebt: „Die, die leistungsfähig sind, können sich voll und ganz auf ihre Leistung konzentrieren. Die Grundeinkommens- Bezieher wiederum müssen nicht einer Vielzahl an Unterstützungen hinterherlaufen, sondern können sich, wenn sie wollen, auf einen Arbeitsmarkt begeben, der diesen Namen verdient.“ Mehr Effizienz hilft aber vor allem, das Überleben jenes Faktors zu sichern, der im Sozialen eine so große Rolle spielt: der Moral. ..." (brand eins 7/05, S. 58)

"... Bleibt die Frage, was das kostet. Selbst wenn man nur das heute gesetzlich festgelegte Existenzminimum – 7664 Euro pro Jahr und Kopf – als Mindesteinkommen garantierte, machte das für 82 Millionen Bundesbürger die gewaltige Summe von 620 Milliarden Euro aus: rund 200 Milliarden mehr, als der Staat an Steuereinnahmen zusammenkratzt. Auf den ersten Blick scheint das vollkommen unfinanzierbar. Doch die gesamten Sozialausgaben der Bundesrepublik betragen bereits heute jährlich mehr als 720 Milliarden Euro. Zieht man davon die Aufwendungen für die Krankenversicherung ab, verbleiben 580 Milliarden Euro für Leistungen, die ein Grundeinkommen langfristig ersetzen könnte. ..." (brand eins 7/05, S. 59)

"... Wie verrückt dieses Dogma ist, wussten nicht nur Tick, Trick und Track. Schon in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts schrieb ein gewisser Paul Lafargue, der Schwiegersohn von Karl Marx, ein kleines, kluges Buch über „Das Recht auf Faulheit“. ..." (brand eins 7/05, S. 59)

"... Der britische Mathematiker Bertrand Russell greift, fast 70 Jahre nach Lafargues Tod, in seinem Essay „Lob des Müßiggangs“ die Gedanken des Marx-Schwiegersohns auf. ..." (brand eins 7/05, S. 59)

Quelle: Lotter, Wolf (2005), "Der Lohn der Angst", in: brand eins, 7 (Titel: "Nie wieder Vollbeschäftigung!", Schwerpunkt: Arbeit), S. 50-59. (Auch angebracht beim Thema Arbeitsamkeit)

 

 

Ad Marx' Gewinnfeindlichkeit

"Nach Marx würden sich keine Kapitaleinkommen im eigentlichen Sinne des Wortes einstellen, wenn alle Produktionsmittel den produzierenden Arbeitern selbst gehörten ('einfache Warenproduktion'). Erst die Trennung zwischen Eigentümern an Produktionsmitteln und Arbeitern ('kapitalistische Warenproduktion') kann nach ihm einen positiven Zinssatz hervorbringen. Im Stadium der 'einfachen Warenproduktion' dürfte demnach einem arbeitenden Produzenten auch dann kein (impliziter) Kapitalertrag zufließen, wenn er sehr viel kapitalintensiver produziert (im Sinne einer stärkeren Verwendung kostspieliger Maschinen und Arbeitsgeräte) als andere Produzenten. Marx negiert hier und anderswo ganz offensichtlich das Phänomen der Minderschätzung des Zukunftskonsums. Unter denselben analytischen Annahmen könnte dann aber auch bei 'kapitalistischer Warenproduktion' im Konkurrenzgleichgewicht (was Marx in diesem Zusammenhang durchweg unterstellt) kein Kapitaleinkommen auftreten. An anderer Stelle wird das Bestehen einer 'industriellen Reservearmee' von Arbeitslosen zur Erklärung der Annahme herangezogen, dass der Arbeitslohn ständig am Existenzminimum verharre und dadurch eine Kluft zwischen Arbeitskosten eines Gutes und seinem Marktpreis (bei Marx 'Produktionspreis') entsteht. Die Annahme eines Konkurrenzgleichgewichts ist jedoch nicht mit der Existenz einer (unfreiwilligen) Arbeitslosenarmee vereinbar."

(Sohmen, Egon, 1992 [eigtl. 1976], Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik [ein Ökonomielehrbuch], 2. Auflage, Tübingen: Mohr, S. 220)
 

 

Ad Werbung

...aus volkswirtschaftlicher Sicht: "Die Werbung eines Unternehmens kann nur dann Anspruch darauf erheben, einen positiven Beitrag zum Sozialprodukt zu leisten, wenn bei ihrem Wegfall zusätzlich wirtschaftliche Ressourcen mindestens im gleichen Ausmaß eingesetzt werden müssten (etwa in Form zusätzlicher Verkaufsgespräche im Einzelhandel), um Endverbrauchern dasselbe Volumen an Konsumgütern zuzuführen. Es fehlt jedoch nicht an empirischen Beispielen dafür, das sich die Werbeanstrengungen von Konkurrenzunternehmen größtenteils gegenseitig kompensieren und keinen positiven Beitrag zum Sozialprodukt erbringen. ... Die Suggestivwerbung für Markenartikel kann daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zum größten Teil als eine Quelle negativer externer Effekte angesehen werden. Die Gesamtkosten für die Gesellschaft sind erheblich, da die Werbebranche in fast allen Industrieländern mehrere Prozent der insgesamt verfügbaren Ressourcen beansprucht. ... Unsere vorwiegend negativen Schlussfolgerungen dürfen im übrigen nicht, wie dies häufig geschieht, als Kritik an der Institution des Markenartikels aufgefasst werden. Markenartikel können durchaus eine volkswirtschaftlich sinnvolle Einrichtung sein, die geeignet ist, gleichbleibende Qualität eines Produkts zu garantieren und dadurch die Marktübersicht zu erleichtern. Sie sind jedoch keineswegs unlösbar mit Suggestivwerbung verbunden..."

(Sohmen, Egon, 1992 [eigtl. 1976], Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik [ein Ökonomielehrbuch], 2. Auflage, Tübingen: Mohr, S. 282f)
 

 

Ad kollektive Vorteile kapitalistischer Strukturen (gemäßigten Privateigentums)

"Mitglieder einer erfolgreichen Gemeinschaft ernten die Früchte ihres Erfolgs oder Misserfolgs selbst. Funktioniert die Gemeinschaft gut, profitieren auch die Mitglieder. Die japanischen Fischer, die Matrosen ebenso wie der Kapitän besitzen beispielsweise Anteile am Ertrag der Kooperative und partizipieren daher direkt am Erfolg (vgl. oben stehenden Artikel). Angestellten mit einem fixen Lohn ist hingegen eine solche Partizipation am Erfolg nicht möglich. Bei den Einwohnern von Chicago haben die Quartiere, in denen privates Wohneigentum üblich ist, ein viel höheres Niveau an «kollektiver Effektivität». Das liegt wahrscheinlich an den Wohnungseigentümern, die von ihrem Engagement voll profitieren können, weil sich nicht nur ihre Lebensqualität bessert, sondern auch der Wert der Wohnungen steigt. Diese Beispiele legen somit nahe, dass die Gemeinschaftsmitglieder im Allgemeinen auch Nutznießer ihrer Bemühungen sein müssen. Im Gegensatz dazu sind dort, wo das Eigentum stark konzentriert ist, die Anreize für erfolgreiche gemeinschaftliche Lösungen nur schwach oder gar nicht vorhanden."

(Aus: "Die Gemeinschaft als Regelmechanismus: Das 'Soziale Kapital' zwischen Markt und Staat" von Samuel Bowles und Herbert Gintis, Neue Zürcher Zeitung vom Samstag, 14.07.2001 Nr.161, S. 27 ad Psychologische Grundlagen der Ökonomie IX; Textstelle auch angebracht beim Thema Soziales)
 

 

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