Reichtumsverteilung

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Reichtumsverteilung

Beitragvon Redaktion » 05.08.2011, 21:19

{L_IMAGE}Zu den ursprünglichsten Beweggründen des Wirtschaftens (kooperieren, handeln, Werkzeuge herstellen, etc. anstatt sich wie eh und je durch Jagd, einen eigenen Hof, o.ä. selbst zu versorgen) zählt es, sich das Leben zu erleichtern (durch kürzeres oder leichteres Arbeiten) oder zu bereichern (durch zusätzliche materielle oder immaterielle Güter). Und spätestens in Zeiten des “Wohlfahrtsstaates” konnten dieserlei Vorzüge breite Teile der Bevölkerung deutlich erkennen.

Derzeit scheinen aber nicht nur geborene Nörgler unzufriedener mit ihrer wirtschaftlichen Situation zu werden, weil es unter anderem nicht mehr so einfach ist, einen Job zu finden, die Jobs schlecht bezahlt sind (vor allem angesichts der zuletzt hohen Inflation), längere Arbeitszeiten abverlangt werden (ein Stichwort dazu: “All in-Vertrag”), Wohnungen und Lebensmittel rasch teurer werden und Sozialpolitik trotzdem politisch in den Hintergrund zu geraten scheint.

Realeinkommen gesunken

Ein Blick in öffentlich zugängliche Statistiken bestätigt diese Annahmen. So sind etwa die Realeinkommen (also die “inflationsbereinigten” Einkommen) der ArbeitnehmerInnen in Österreich in den letzten Jahren deutlich gesunken:

Die realen (inflationsbereinigten) Nettobezüge von ArbeitsnehmerInnen der untersten Einkommensschicht sind demnach von 1995 bis 2008 um 22,4% gesunken. Die realen Nettobezüge der zweitniedrigsten Einkommensschicht (von in der zitierten Statistik fünf Einkommensschichten) sind um 12,7% gesunken. Erst die oberste von fünf analysierten Einkommensschichten konnte eine leichte Steigerung der realen Nettobezüge von 0,5% verzeichnen. Dies mag auf den ersten Blick bescheiden erscheinen, nicht jedoch, wenn man bedenkt, dass die ohnehin bereits sehr von Geldmangel belasteten untersten Einkommensschichten, denen auch deutliche größere Teile der Bevölkerung angehören, große Einkommensverluste erfahren mussten. Und dieser Unterschied bedeutet wiederum eine Umverteilung von unten nach oben.

(Vergleiche auf Statistik Austria und WIFO basierende Zahlen im “Sozialbericht 2009 - 2010”, Seite 220)

1% der Bevölkerung verfügt über 1/3 des volkswirtschaftlichen Vermögens

Gleichzeitig sind die Vermögen in Österreich sehr ungleich verteilt: laut einer diesbezüglichen Studie der Arbeiterkammer von 2011 verfügen in Österreich 90% der Bevölkerung über etwas weniger als 1/3 des Gesamtvermögens, während die reichsten 1% der Bevölkerung über etwas mehr als 1/3 des Gesamtvermögens und 9% der Bevölkerung über das übrige rund 1/3 des Gesamtvermögens verfügt. Gleichzeitig sind gemäß genannter AK-Studie rund 1 Million ÖsterreicherInnen (12% der Bevölkerung) armutsgefährded.

In Deutschland scheint dies beispielsweise nicht anders zu sein (siehe hierzu z.B. den Focus-Artikel “Geringverdiener verlieren, Besserverdiener gewinnen”)

Der Faktor Arbeitszeit, der wirtschaftlichen Fortschritt wie das reale Einkommen ebenfalls spürbar machen würde, ist bekanntlich seit Jahren unverändert oder gar zum Stressfaktor geworden (Stichwort: Burn Out). Das diesbezüglich innovative Frankreich (Stichwort: 35 Stunden-Woche) hat trotz europäischer Solidarität u.a. mit dem Nachbar Deutschland zu kämpfen, welcher v.a. mittels niedriger “Lohnstückkosten” (durch geringere Bezahlung und sonstiges “Sozialdumping”) und folglicher industrieller Vorteile in für beide Länder wichtigen und konkurrierenden Industrien (wie der Automobilindustrie) an den höheren sozialen Standards in Frankreich rüttelt.

Wir haben uns ein paar Gründe überlegt, die für eine sehr ungleiche Reichtumsverteilung verantwortlich sein könnten:

Ideologie

“Wer mehr verdient, verdient mehr.” So könnte man die ideologische Einstellung zusammenfassen, die möglicherweise zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation breiter Teile der Bevölkerungen in zahlreichen Staaten, darunter auch ehemalige Wohlfahrtsstaaten wie Österreich oder Deutschland, führt.

Das “mehr verdienen” im ersten Teil des Satzes kann sich hierbei einerseits auf den Wert des Menschen beziehen, sprich: sozial schwächere oder gar hilfbedürftige Menschen in einer Gesellschaft sind weniger Wert als “von sich aus” sozial erfolgreiche Menschen. Darum haben die Schwachen keine Unterstützung verdient - sie sollten sich vielmehr ändern! - und die Starken haben das, was ihnen zusteht.

Andererseits kann sich das “mehr verdienen” auf den Beitrag der Menschen zur Gesellschaft beziehen. So kann hierbei angenommen werden, dass ein höherer Verdienst und / oder größerer Besitz hauptsächlich daraus resultiert, dass man anderen Menschen einen großen Nutzen stiftet, sie z.B. schnell und gut von Krankheiten heilt, sie durch die eigene Schönheit erfreut, o.ä., und dafür bezahlt oder beschenkt wird.

Eine Rolle spielen sicherlich auch “wissenschaftliche Ideologien”, in diesem Fall vor allem wirtschaftswissenschaftliche. Denn es gibt einflussreiche “ökonomische Schulen” wie die “Chicago school of economics” (http://en.wikipedia.org/wiki/Chicago_sc ... _economics) innerhalb der Wirtschaftswissenschaften, welche die Meinung vertreten (und wissenschaftlich zu untermauern versuchen), dass es für eine Gesellschaft keine wirklich bessere Möglichkeit gibt als den Marktteilnehmern (und damit auch der Bereicherung einiger weniger) möglichst freie Hand zu lassen. Das ökonomisch untersuchte “Staatsversagen” sei viel schlimmer als das ökonomisch ebenfalls untersuchte “Marktversagen”, ein wirtschaftliches Monopol dementsprechend beispielsweise immer noch besser als ein Staatsbetrieb. (Es gibt natürlich auch ganz anders denkende wirtschaftswissenschaftliche “Schulen” - die z.B. auf die Vorteile ökosozialer Marktwirtschaften hinweisen -, aber leider können sich durch die aus der Wissenschaft nie völlig wegzubringende Subjektivität Politiker, Lobbyisten, u.ä. einflussreiche Personen und Institutionen jener “Schulen” oder Studien zur eigenen Rechtfertigung bedienen, die ihnen gerade genehm ist.)

In der Politik ersichtlich scheinen diese Ideologien beispielsweise bei der österreichischen Volkspartei, den (ehemals) “Christlich-sozialen” und auf den “Mittelstand” ausgerichteten, die sich immer wieder für Gesetzesänderungen zugunsten einer Umverteilung “von unten nach oben” stark machen, die auch aus wirtschaftlich nachhaltiger Sicht schwer “wirtschaftslogisch” nachzuvollziehen sind (bekannte Beispiele: Abschaffung der Erbschaftssteuer, Reduzierung der Familienbeihilfe, Bildungsabbau). Ob die ÖVP-WählerInnen dies nicht bemerken, fälschlicherweise meinen, das wäre in ihrem Sinne, ob sie selber diese ideologische Einstellung teilen (selbst wenn sie ihnen selbst nicht zugute kommt) oder darauf hoffen, dass sich Parteitreue dennoch lohnen wird, ist eine andere Frage.

Ein nicht-ideologischer, psycho-sozialer Grund für eine unsoziale Einstellung und somit freiwillig unsoziales Verhalten von bei Umverteilung mitentscheidenden Politikern, Unternehmern und Wählern (bzw. auch Spendern) ist fehlendes Mitgefühl.

Schulden

Ein anderer möglicher Grund für eine Abnahme der Reichtumsumverteilung ist, dass die Schulden vieler Staaten, z.B. durch die Finanzierung eines Wohlfahrtsstaates, schön langsam zu hoch werden und Neuverschuldung nicht oder schwerer als zu sozialeren Zeiten möglich ist. Hierbei würden quasi die “Wohlstandskinder” den Preis für den Wohlstand ihrer Eltern bezahlen müssen.

Wirtschaftskrise

Man könnte auch davon ausgehen, dass “die Wirtschaft” (“das System”) in einer Krise steckt (z.B. durch das Platzen von Spekulationsblasen und das damit gestörte Vertrauen wirtschaftlicher Akteure), somit weniger Reichtum produziert wird und es somit schlichtweg weniger zu verteilen gibt. Dieser mögliche Grund kann auch mit dem nächsten möglichen Grund zusammenhängen.

Globalisierung

Hierbei könnte angenommen werden, dass sich ein Staat einen möglichst breiten “Wohlstand” (z.B. durch strenge Arbeitsschutzgesetze - Arbeitszeiten, Einkommen, Kündigungsschutz, Arbeitslosenunterstützung, u.ä. - oder Besteuerung von Unternehmen und Reichen und dadurch finanzierte Umverteilung) aufgrund zunehmender internationaler Konkurrenz immer weniger leisten kann (Stichwort: Standortpolitik). Dagegen könnten u.a. die negativen Folgen starker Ungleichverteilung (wie soziale Unruhen), die Vorteile geringer Ungleichverteilung oder die Erfolge von Unternehmen sprechen, die ihre Mitarbeiter (und sonstige Umwelt) auch freiwillig gut behandeln.

Außerdem könnte Globalisierung dazu führen, dass Kapital für den Staat (durch Steuern u.ä. finanzpolitische Instrumente) weniger greifbar wird, weil es sich vermehrt auf internationalen Finanzmärkten bewegt oder in Steueroasen verschwindet (Stichwort: Kapitalflucht).

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Vergleiche:

Pro & Contra Umverteilung
Länderranking nach Vermögensverteilung
Vermögensverteilung und Demokratie



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