Im Inhaltsverzeichnis verlinkte Textstellen

Arno Gruen in Der Wahnsinn der Normalität

Sie wussten ganz im Gegenteil, dass Schmerz und Leid den Entschluss verstärken, sich NICHT zu unterwerfen. Solch eine Sehweise war aber den amerikanischen "Realisten" nicht möglich, denn ihre Realität war geprägt von den Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit mit der Macht hatten. Weil sie selbst als Kinder vor Schmerz und Demütigung in Anpassung geflüchtet waren, konnten sie sich andere Reaktionen gar nicht mehr vorstellen. (S 142)

Das Streben nach Macht wird zwanghaft, und die Unfähigkeit, Schmerz zu ertragen, führt dazu, dass man um jeden Preis Schmerz vermeidet, denn solche Menschen empfinden Schmerz als Demütigung. (S 143)

Genau diese Logik macht einen Feind erforderlich. Dieser liefert die Rechtfertigung für die eigenen Machtbedürfnisse und für die Eroberungen, zu denen der Selbsthass führt. Die zu erobernden Ziele können ein Berggipfel sein, ein wissenschaftliches Problem, ein Naturschutzgebiet, das einer Autobahn im Weg steht, oder ein Feind aus Fleisch und Blut. Man braucht einen Feind oder eine "Herausforderung". Die meisten Menschen haben eine ähnliche Entwicklung und sind deshalb anfällig dafür, sich auf diesem Weg Erleichterung von den inneren Zweifeln und Hassgefühlen zu verschaffen. Nur allzu schnell fühlen sie sich von äußeren Feinden bedroht. In welchem Ausmaß wir also solche äußeren Feinde zu unserer eigenen Erleichterung benötigen - das entscheidet letztlich darüber, wie bereit wir sind, einem Führer zu folgen, der uns einen passenden Feind offeriert. (S 143)

Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte mißfallen, dass der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter die sensiblen, offenen und anfälligen Persönlichkeiten reicher und gesünder genannt hatte als die "robusten" Naturen, die sich allem anpassen können. Alle Vertreter der Macht als einer Ideologie des falschen Selbst fürchten sich vor innengeleiteten Menschen. Und sie verachten sie, weil sie diese Angst nicht zugeben können. Hierbei spielt es keine Rolle, ob einer politisch am linken oder rechten Flügel angesiedelt ist. Überall ist es Machtbesessenheit und nicht Offenheit für die Realität in ihren reichen und lebendigen Möglichkeiten. (S 143)

Alle herausgeschriebenen Textstellen aus Der Wahnsinn der Normalität zu finden unter Gesammeltes/Anstößiges.

 

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Weitere Textstellen (ohne Inhaltsverzeichnis)

...nach Entdeckungszeitpunkt geordnet (ältere Texte zuerst). Aus Faulheit bzw. Zeitmangel werden wir nicht mehr jeden weiteren (neu hinzukommenden) Text direkt im Inhaltsverzeichnis verlinken! Vielleicht finden wir später irgendwann einmal Zeit dazu - oder ein Verleger :)

 

Die Tatsache, dass so mancher, der seinen eigenen Weg geht, schließlich scheitert, bedeutet nichts. .. Er muss dem eigenen Gesetze gehorchen, als ob es ein Dämon wäre, der ihm etwas von neuen, seltsamen Pfaden einflüstert. .. Nicht wenigen aber geschieht es, dass sie von dieser Stimme wachgerufen werden, wodurch sie sofort von den anderen unterschieden sind und sich mit einem Problem konfrontiert sehen, von dem die anderen nichts wissen. Meist ist es unmöglich, den anderen zu erklären, was geschehen ist, denn die Verständnismöglichkeit ist durch undurchdringliche Vorurteile abgeschirmt. »Du bist nicht anders als alle anderen«, rufen sie im Chor, »so etwas gibt es nicht«, und selbst wenn es so etwas gibt, dann wird es sofort als »krankhaft« gebrandmarkt. ..So ist er denn plötzlich unterschieden und isoliert, denn er hat sich entschlossen, dem Gesetz zu gehorchen, das ihm aus seinem Inneren befiehlt. »Seinem eigenen Gesetze«, werden alle rufen. Doch er weiß es besser: es ist das Gesetz ... Das einzigsinnvolle Leben ist ein Leben, welches nach der -absoluten und unabdingbaren -individuellen Verwirklichung seines ihm eigentümlichen Gesetzes strebt. ..In dem Maße, in dem ein Mensch dem Gesetz seines Seins untreu wird, hat er den Sinn seines Lebens verpasst. Die unentdeckte Ader in uns ist ein lebender Teil der Psyche; die klassische chinesische Philosophie nennt diesen inneren Weg das »Tao« und vergleicht es mit einem Wasserlauf, der unaufhaltsam auf sein Ziel zustrebt. Im Tao ruhen, ist Vollendung, Ganzheit, das Erreichen des Ziels, die Erfüllung der Aufgabe; es ist Anfang und Ende und die völlige Verwirklichung des allen Dingen innewohnenden letzten Sinns. C. G. Jung

...dass die Menschen aufgrund eines Naturgesetzes ganz allgemein in zwei Kategorien zerfallen: in eine niedere Kategorie - die gewöhnlichen Menschen; sie bilden sozusagen das Material, das einzig zur Erzeugung von seinesgleichen dient - und in Menschen im eigentlichen Sinne des Wortes, das heißt solche, die die Gabe oder das Talent besitzen, in ihrem Kreis ein neues Wort zu sagen. Selbstverständlich gibt es hier zahllose Differenzierungen, aber die Trennungslinie zwischen beiden Kategorien ist ziemlich scharf gezogen: die erste Kategorie, das heißt, allgemein gesprochen, das Material, besteht aus Leuten, die ihrer Natur nach konservativ und ordentlich sind, in Gehorsam leben und es lieben, gehorsam zu sein. Nach meiner Ansicht haben sie auch die Pflicht, gehorsam zu sein, das ist ihre Bestimmung, und es liegt für sie ganz entschieden nichts Erniedrigendes darin. Alle Angehörigen der zweiten Klasse übertreten das Gesetz; sie sind Zerstörer oder neigen wenigstens dazu, je nach ihren Fähigkeiten. [...] zumeist fordern sie, dass das Gegenwärtige im Namen eines Besseren zerstört werde. [...] Übrigens liegt kein Grund zu großer Besorgnis vor: die Masse wird ihnen niemals, fast niemals dieses Recht zubilligen; sie wird sie, mehr oder minder, bestrafen und aufhängen und erfüllt dadurch, völlig zu Recht, ihre konservative Bestimmung - freilich stellen spätere Generationen dieser gleichen Masse die Hingerichteten, mehr oder minder, auf ein Piedestal und neigen sich vor ihnen. Die erste Kategorie ist immer Herr der Gegenwart, die zweite Herr der Zukunft. Die ersten erhalten die Welt und vermehren die Menschheit; die zweiten bewegen die Welt und führen sie zum Ziel. Die einen so gut wie die anderen haben das gleiche Recht zu existieren. Mit einem Wort, ich spreche [...] beiden dasselbe Daseinsrecht zu und ... vive la guerre éternelle - natürlich nur bis zum Neuen Jerusalem. (Raskolnikow [Dostojewskij] in Schuld und Sühne, Dritter Teil, Kapitel 5; S 332 in dieser Version...)

Wenn vom Gewissen die Rede ist, fällt vielen automatisch das Adjektiv "schlecht" ein: Gefühle, der Unzulänglichkeit und der Schuld werden üblicherweise mit dem Gewissen assoziiert. Gefühle, die - wenn sie andauern - einem das Leben vermiesen können. Also verdrängen, ignorieren oder bestreiten manche die Existenz eines persönlichen Gewissens oder lösen es - scheinbar "aufgeklärt" - als von außen kommende gesellschaftliche und durch die Eltern introjizierte Normen auf. Ist das Gewissen damit erledigt? Wohl nur dann, wenn das Gewissen allein ein gesellschaftliches Konstrukt wäre. Traditionell wird Gewissen definiert als das für einen Menschen als verbindlich angesehene Werte-System, welches ihm ermöglicht, unabhängig von äußeren Maßstäben zu sittlichen Fragen selbstständig Stellung zu nehmen und diese selbst zu bewerten. Gewissen ist aber mehr: ein Phänomen. Das heißt, es zeigt sich - zunächst auch unabhängig von gesellschaftlich geltenden Normen - als "innere Stimme", die zum Selbstsein aufruft. Gewissen ist also der entscheidende Bezugspunkt des Menschen, der die höchste Entfaltung seines Entwicklungspotentials ermöglicht.
Doch wie "entsteht" das Gewissen? Welche Funktionen erfüllt es? Kann ein Mensch, der nach bestem Wissen und Gewissen handelt, irren? Gibt es gewissenlose Menschen? Gibt es neben dem individuellen auch ein kollektives Gewissen? Was ist Gewissensbildung? Besteht zwischen dem autonomen Gewissen und der heteronomen Moral eine Verbindung? (Information zu einem Radiokolleg auf Radio Österreich 1 am 30.12.03)

...Am Ende liebt man uns wirklich für die Zur-Schau-Stellung, und fortan müssten wir die Wahrheit fürchten. Der andere könnte uns auf die Schliche und hinter die Schliche kommen. Einmal eingegangen, wird die begangene Lüge zum Schicksal. Wir sind die Gefangenen dessen, was wir selber gesetzt haben. Wilhelm Reich in den 30er Jahren sprach schließlich von einer Charakterpanzerung. Er meinte dass Menschen von ihren wirklichen Gefühlen, von ihren eigenen Bedürfnissen soviel verdrängen müssen, dass sie nur noch hart in den Ersatzbildungen ihres eigenen, verdrängten Materials auftreten können. Sie setzen ihre eigenen Ängste nach außen, sie verfolgen sich selber in den anderen. Scheinbar sind sie ganz und gar untadelig: perfekt, fehlerfrei, zuverlässig, tüchtig - die Musteraushängeform dessen, was gesellschaftlich gewünscht wird. Inwendig aber wird alles chaotischer. Und ständig geraten sie in noch mehr Angst vor sich selber nun dass alles das aufsteigen könnte, vor dem sie ihr Leben lang auf der Flucht sind - und vor den anderen. (Eugen Drewermann über das Sich-Verstellen in: Vom Leben des Menschen)

Wir haben Welten zusammenbrechen und Zivilisationen verschwinden sehen. Ganze Rassen haben wir verschwinden sehen, während das Universum ein Bier zu sich genommen und Werbung über den Big Bang in der Ruhe der letzten Partie des Jahrhunderts gesehen hat. Wir sind wie eine Werbung der Playstation, aber mit einer schlechteren Vorhersage. Wir haben Regierungen ihr eigenes Grab mitten unter dem Tag graben sehen, während andere über ihre Bedingungen und die der Umstehenden nachdachten. Wir waren überrascht, als wir verstohlen gegenseitig unsere Freizeit ansahen und zweifelten, ob ausgehen, um sich zu verlieren, legitim sei, ob sich von Tom Hanks trennen oder mit Fangoria zu tanzen das ist, auf was es draufankommt. Aber es ist klar, dass niemand das Recht dazu hat, uns zu sagen, auf was es draufankommt und was wir auf Morgen verschieben können. Es gibt dummer Personen, die den Morgen mit farbenfroher Hoffnung anmalen und es gibt andere, die sich eine Zukunft voller Zweifel ausmalen. Und du bist es, dem schlussendlich klar geworden ist, dass, sei es was es sei, das du denken sollst, am besten du denkst es allein. (Kommentar der Redaktion der Zeitschrift D´Noche, aus dem Spanischen mehr oder weniger frei übersetzt von ob)

 


 

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