'Die Bücher von Anthony de Mello entstanden in einem multireligiösen Kontext und sollten Anhängern anderer Religionen, Agnostikern und Atheisten eine Hilfe bei ihrer geistlichen Suche sein. Dieser Intention des Autors entsprechend, sind sie nicht als Darstellung des christlichen Glaubens oder als Interpretation katholischer Dogmen zu verstehen.' 
[..dies steht meist kleingedruckt in seinen Büchern, weil er eigentlich Jesuit war..]

Nebensächlichkeit 

An jenem Tag ging es während der öffentlichen Versammlung bei allen Fragen um das Leben jenseits des Grabes.  
 
Der Meister lachte nur und gab keine einzige Antwort.  
 
Seinen Schülern, die wissen wollten, warum er auswich, sagte er später: „Habt ihr nicht bemerkt, dass es ausgerechnet diejenigen sind, die nichts mit dem Leben anzufangen wissen, die ein weiteres, ewig währendes wollen?“  
 
„Aber gibt es nun Leben nach dem Tode oder nicht?“ beharrte ein Schüler.  
 
„Ist da leben vor dem Tod – das ist die Frage!“ sagte der Meister hintergründig.  

Sterblichkeit

Einem Schüler, der um Weisheit bat, sagte der Meister: "Versuch' folgendes: schließ die Augen und stell dir vor, du und alle Lebewesen werden in einen Abgrund geschleudert. Jedesmal, wenn du dich an etwas klammerst, um nicht zu fallen, mach' dir klar, daß es gleichfalls fällt..."
Der Schüler versuchte es und war nie mehr derselbe.

Zufriedenheit

So paradox es scheint, behauptete der Meister doch stets, der wahre Reformer erkenne, dass alles, so wie es ist, vollendet ist und sei daher auch fähig, nicht daran zu rühren.
"Warum will er dann überhaupt irgendetwas reformieren?" wunderten sich die Schüler.
"Nun, es gibt solche und solche Reformer: die eine Art bleibt selbst untätig, aber offen für den Strom des Geschehens. Solche Menschen ändern Richtung und Verlauf eines Flusses. Die anderen produzieren selbst ihre Tätigkeit; sie ähneln denen, die mit viel Getöse den Fluss nasser machen wollen."

 

"...Ihr Wahrnehmen kann einfach nicht in Worte gefasst werden. Was kann dann ein Lehrer tun? Er kann Sie nur darauf hinweisen, was unwirklich ist, die Wirklichkeit selbst kann er nicht zeigen; ...er kann Ihren Irrtum aufzeigen, kann Sie aber nicht in den Besitz der Wahrheit bringen. Ein Lehrer kann höchstens in Richtung der Wahrheit zeigen, er kann Ihnen aber nicht sagen, was zu sehen ist. Sie werden ganz allein aufbrechen und selbst entdecken müssen..."

Wahre Toleranz entsteht nur aus einem wachen Bewusstsein für die abgrundtiefe Unwissenheit, die alle, was die Wahrheit betrifft, an den Tag legen.

...alles ist ganz einfach das, was es ist. Nur der erwachsene Mensch kann das eine sein, und so tun, als sei er etwas anderes. Wenn Erwachsene ein Kind dafür bestrafen, dass es die Wahrheit sagt, dass es ausspricht, was es denkt und fühlt, lernt das Kind sich zu verstellen, und seine Unschuld wird zerstört. Bald wird es zur großen Masse derer zählen, die ratlos feststellen: "Ich weiß nicht, wer ich bin." Denn indem sie die Wahrheit über sich selbst vor anderen lange genug verstecken, verstecken sie sich schließlich vor sich selbst.

Wollen Sie die Welt verändern? Wie wäre es, wenn Sie mit sich selbst anfingen? Wie wäre es, selbst zuerst umgewandelt zu werden? Doch wie ist das zu erreichen? Durch Beobachtung, durch Verstehen; ohne Eingreifen oder Aburteilen von Ihrer Seite. Denn was man verurteilt, kann man nicht verstehen. Wenn Sie von jemandem sagen: "Er ist Kommunist", hört Ihr Verständnis in diesem Moment auf. Sie haben diesem Menschen ein Etikett aufgeklebt...Kein Urteil, kein Kommentar, keine Stellungnahme: man beobachtet einfach, man untersucht es, sieht zu, und zwar ohne den Wunsch, das Bestehende zu verändern. Denn wenn Sie das Bestehende in das verändern wollen, was Sie denken, wie es sein sollte, verstehen Sie es nicht mehr.

Vielleicht ist Freude in Ihnen, doch warten Sie nur ab, das wird sich ändern, es wird nicht andauern; es dauert nie lange; es ändert sich ständig, ändert sich immer. Wolken kommen und ziehen vorüber: manche sind dunkel und manche sind hell, manche sind groß, andere sind klein. Wenn wir der Analogie folgen wollen, wären Sie der Himmel und beobachteten Wolken. Sie sind der passive , unbeteiligte Beobachter. Das ist schockierend, besonders für einen Menschen der westlichen Kultur...

Mit scheint Egoismus einem Selbsterhaltungstrieb zu entspringen, der unser erster und tiefster Instinkt ist. Wie können wir uns für Selbstlosigkeit entscheiden? Es wäre fast wie sich für das Nichtsein zu entscheiden...Hören Sie damit auf, sich für schlecht zu halten, weil Sie egoistisch sind. Wir sind alle gleich.

Es gibt einige interessante Studien über das Phänomen der Gehirnwäsche. Aus ihnen geht hervor, dass es sich bereits dann um Gehirnwäsche handelt, wenn man einen Gedanken annimmt oder verinnerlicht, der nicht der eigene ist.

Meinen Sie, Sie helfen Leuten, weil Sie in sie verliebt sind? Hören Sie, ich habe eine gute Nachricht für Sie. Sie sind nie in jemanden verliebt. Sie sind nur in Ihre von Vorurteilen und Hoffnungen bestimmte Vorstellung von einem bestimmten Menschen verliebt...Wirkt das nicht wie eine kalte Dusche auf Sie? Kühlt das Ihr Verliebtsein nicht gleich ab?...Sie vertrauen nie jemandem. Kommen Sie davon weg! Es ist Teil der gesellschaftlichen Gehirnwäsche. Sie vertrauen nie jemandem. Sie vertrauen nur Ihrem Urteil, das Sie sich über einen bestimmten Menschen gebildet haben. Worüber beklagen Sie sich also?

Das ist der springende Punkt: Die Leute wollen sich eigentlich nicht weiterentwickeln; die Leute wollen sich eigentlich nicht ändern.

Doch schauen Sie einmal, wer wirklich selbstsüchtig ist: Stellen Sie sich vor, jemand sagt zu Ihnen: "Wie kannst du nur so selbstsüchtig sein, dass du das Glücklichsein mir vorziehst?" Würden Sie dann nicht am liebsten antworten: "Entschuldige mal, aber wie kannst du nur so selbstsüchtig sein, dass du verlangst, ich sollte dich über mein Glücklichsein stellen?"...Eine Frau erzählte mir mal von einem Jesuitenpater, der immer sagte: "Der Prüfstein der Liebe ist das Opfer, das Maß der Liebe ist die Selbstlosigkeit." Ein großartiger Satz! Ich stellte der Frau die Frage: "Würden Sie sich wünschen, dass ich Sie liebe, auch wenn ich dann nicht mehr glücklich sein könnte?" "Ja", erwiderte sie. - Ist das nicht entzückend? Sie würde mich lieben und könnte nicht mehr glücklich sein, und ich würde sie lieben und könnte auch nicht mehr glücklich sein. So hätten wir zwei unglückliche Menschen, doch - lang lebe die Liebe!

Wie ich schon sagte, wollen wir gar nicht glücklich sein. Wir wollen etwas anderes. Oder sagen wir es etwas genauer: Wir wollen nicht bedingungslos glücklich sein. Ich bin bereit, glücklich zu sein, vorausgesetzt, ich habe dieses und jenes und wer weiß was noch.

Wohin man blickt, überall Kummer, Einsamkeit, Angst, Verwirrung, Zwiespalt in den Herzen der Menschen - innerer und äußerer Zwiespalt. Angenommen, jemand würde Ihnen einen Weg zeigen, auf dem Sie all dem entrinnen könnten? [...] Doch statt dessen gibt es Leute, die meinen, das große Geschäft sei nützlicher, Politik und Wissenschaft seien nützlicher. Was hat die Erde davon, wenn ein Mensch auf den Mond geschossen wird, wenn wir auf der Erde nicht leben können?

Ich kenne eine Geschichte von einem kleinen Jungen, der Johnny hieß und wie man sagte, geistig zurückgeblieben war. Aber offensichtlich war er es doch nicht, wie die folgende Geschichte zeigt. Johnny ging in eine Modelliergruppe einer Sonderschule. Dort bekam er ein Stück Knetmasse und fing an, es zu formen. Er nahm ein Stückchen, ging in eine Ecke des Zimmers und spielte dort damit. Die Lehrerin ging zu ihm und sagte: "Hallo Johnny." "hallo" "was hast du denn in deiner hand?" darauf sagte johnny: "das ist ein stück kuhfladen." die lehrerin fragte weiter: "was willst du denn damit machen?" "ich mache eine lehrerin." [...] Der rektor war überzeugt,dass es sich hier um einen fall für den schulpsychologen handelte [...] der psychologe war ein schlauer bursche und sagte zu dem jungen "ich weiss was du in deiner hand hast" "was denn?" "ein stück kuhfladen" "richtig" "und ich weiss auch was du daraus machen willst" "was denn?" "einen psychologen" "falsch! dafür reicht es nicht!"

Wissen Sie, was ein Zeichen dafür ist, dass Sie wach geworden sind? Wenn Sie sich selbst fragen: Bin  ich verrückt oder sind es alle anderen?" Es ist wirklich so, denn wir sind verrückt. Die ganze Welt ist es. Der einzige Grund, weshalb wir nicht in einer Anstalt sind, liegt darin, dass es so viele von uns sind....Ich bin inzwischen so weit zu glauben, wir sind dermaßen verrückt, dass, wenn alle sich in etwas einig sind, man sich sicher sein kann, dass es falsch ist! Jede neue Idee, jede große Idee, stand am Anfang gegen alle anderen...Ich glaube, es war Bertrand Russel, der feststellte: "Jede große Idee tritt an als Blasphemie." ... Denn die Leute sind verrückt, sie sind wahnsinnig, und je früher Sie das merken, desto besser ist es für Ihre geistige und geistliche Gesundheit.

So ist es: Wenn man etwas entsagt, ist man ihm für immer verhaftet. Wenn man gegen etwas ankämpft, ist man ihm für immer verbunden. Solange man gegen etwas ankämpft, gibt man ihm Macht. Man gibt ihm soviel Kraft, wie man dafür aufwendet, es zu bekämpfen.

"..Ich habe mich mein ganzes Leben lang geirrt." Mein Gott, so etwas zu hören! Es ist wie eines der sieben Weltwunder zu sehen. Das ist Glaube! Offensein für die Wahrheit, was auch immer sich daraus ergeben mag, wohin auch immer sie einen führen wird. Das ist Vertrauen. Nicht Überzeugung, sondern Glaube.

Nächstenliebe ist Eigennutz unter dem Deckmäntelchen des Altruismus....Es gibt zwei Arten von Egoismus. Bei der ersten habe ich Freude daran, mir selbst zu gefallen. Das nennt man im allgemeinen Selbstbezogenheit. Bei der zweiten Art habe ich Freude daran, anderen zu gefallen. Das wäre eine raffinierte Form des Egoismus. Die schlechteste Art von Nächstenliebe ist die, etwas zu tun, um kein schlechtes Gewissen zu haben..Sie wollen, dass die Leute gut von Ihnen denken....Wenn Sie einwenden, Sie täten manchmal etwas, um andere nicht zu verletzen, glaube ich Ihnen nicht..Wenn wir jemand verletzen, bekommen die anderen eine schlechte Meinung von uns. Sie werden uns bald nicht mehr schätzen, werden schlecht von uns reden, und das mögen wir nicht!

Auch Märtyrer geben mir zu denken. Ich glaube, sie unterlagen meist einer Gehirnwäsche. Islamische Märtyrer, hinduistische Märtyrer, buddhistische Märtyrer, christliche Märtyrer... Irgendwie waren sie von dem Gedanken beherrscht, dass sie sterben müssen, dass der Tod etwas Großes ist...Sie können jemanden dreißigtägige Exerzitien machen lassen und ihn dann am Ende ganz in der Liebe zu Christus entbrannt sehen, ohne die geringste Selbsterkenntnis gewonnen zu haben.

Sokrates sagte: "Das unbewusste Leben ist es nicht wert, gelebt zu werden." (53)
Was wir eigentlich suchen, ist der oder die Denkende. Kann der oder die Denkende sich selber erkennen? Kann ich wissen, was das "Ich" ist? Manche dieser Mystiker antworten darauf: "Kann das Messer sich selbst schneiden? Kann der Zahn sich selbst beißen? Kann das Auge sich selbst sehen? Kann das "Ich" sich selbst kennen?" Doch ich befasse mich jetzt mit einer viel praktischeren Frage, nämlich zu klären, was das "Ich" nicht ist.... Bin ich die Gedanken, die ich denke? Nein. Gedanken kommen und gehen; ich bin nicht meine Gedanken. Bin ich mein Körper? Man sagt, dass sich in jeder Minute Millionen von Zellen in unserem Körper wandeln oder neu entstehen, so dass wir nach sieben Jahren keine einzige lebende Zelle mehr in unserem Körper haben, die auch schon vor sieben Jahren da war. Zellen kommen und gehen. Zellen entstehen und sterben.

ein unbedachtes leben ist ein automatisches leben. es ist nicht menschlich, sondern programmiert, von außen beeinflußt...

in dem land, aus dem ich komme, gibt es hundertausende menschen, die in kleinen hütten in größter armut leben, die es gerade schaffen zu überleben, die den ganzen tag arbeiten müssen, körperlich hart arbeiten, sich dann schlafen legen, morgens aufstehen, etwas essen gehen und dann wieder von vorne anfangen. während sie sich zurücklehnen und denken: "was ist das für ein leben. ist das alles, was das leben denen zu bieten hat?" und dann merken sie plötzlich, dass 99.9 prozent der menschen hier bei uns nicht viel besser dran sind. sie können ins kino gehen, im auto herumfahren oder eine kreuzfahrt machen. meinen sie wirklich, dass sie so viel besser dran sind? sie sind genauso abgestorben, genauso eine maschine - vielleicht eine etwas größere, aber dennoch eine maschine. das ist traurig. es ist traurig, sich vorzustellen, dass menschen so durchs leben gehen. (S 84/85)

 wenn ich ihnen zuhöre, ist es unendlich viel wichtiger für mich, mir zuzuhören als ihnen. selbstverständlich ist es wichtig, ihnen zuzuhören, aber dennoch ist es wichtiger, dass ich mir zuhöre. andernfalls könnte ich sie gar nicht hören. oder ich würde alles verdrehen was sie sagen. ich würde zu meiner ganzen voreingenommenheit auf sie zugehen, würde aus sie in verschiedenster weise mit meinen unsicherheiten reagieren, mit meinem bedürfnis, sie zu manipulieren, mit meinem wunsch, erfolg zu haben, mit irrationen und gefühlen, derer ich mir vielleicht nicht bewusst bin.  (S 90)

 

Die drei schwierigsten Dinge für einen Menschen sind nicht körperliche Glanzleistungen oder intellektuelle meisterstücke, sondern erstens hass mit liebe zu vergelten; zweitens: das ausgeschlossene mit einzuschließen; drittens: zuzugeben, dass man unrecht hatte. (76)

Und die angst? Sie kommt, und es beunruhigt sie nicht... ist das nicht paradox? Sie sind bereit, diese dunkle wolke herankommen zu lassen, denn je mehr sie gegen sie ankämpfen, desto mehr kraft flößen sie ihr ein.

 

Es kommt nicht darauf an zu wissen, wer oder was das „ich“ ist; sie werden es sowieso nicht herausfinden.. die japanischen meister des zen sagen in diesem sinne: „suche nicht nach der wahrheit, trenne dich nur von deinen meinungen“ (92)

Leiden ist ein zeichen dafür, dass ihnen die beziehung zur wahrheit fehlt. Das leiden wurde ihnen gegeben, um ihnen die augen für die wahrheit zu öffnen, um zu verstehen, dass es irgendwo unwahrheit gibt; genauso wie ein körperlicher schmerz zu verstehen gibt, dass an einer stelle etwas krank ist. Leid zeigt an , dass irgendwo etwas nicht stimmt. Leid entsteht, wenn sie in widerspruch mit der wirklichkeit leben- wenn ihre illusionen sich an der wirklichkeit, ihre lügen sich an der wahrheit stoßen, wenn sie leiden. Anders gibt es kein leid. (93)

Wer bestimmt denn was „Erfolg haben“ bedeutet? Die törichte Gesellschaft! Die hauptsorge der gesellschaft besteht darin, die gesellschaft krank zu machen. Und je eher sie das merken, desto besser für sie. Übel dran sind diese leute, und sie haben die richtung verloren. Sie wurden direktor der irrenanstalt, und Sie sind noch stolz darauf, obwohl das überhaupt nichts bedeutet. (94)

Unsere gesellschaft und kultur hämmern es ihm tag und nacht ein. Leute, die es geschafft haben! was geschafft? Sich selbst zum narren machen, das hat er geschafft. Denn er hat seine ganze energie auf etwas wertloses gerichtet. Er ist ängstlich und verwirrt, eine marionette wie alle anderen. (95)

Glück ist unser natürlicher zustand. Glück ist der natürliche zustand kleiner kinder, ihnen gehört das himmelreich, bis die dummheit der gesellschaft und kultur sie angesteckt und verdorben hat. Um das glück zu erlangen, müssen sie gar nichts tun, denn das glück kann man nicht erlangen...wie soll man etwas erlangen, das man schon besitzt? Aber warum erfahren wir es dann nicht? Weil sie zuerst etwas verlieren müssen, und zwar ihre illusionen. (97)

..der zweite schritt ist, zu verstehen, dass das gefühl in ihnen ist und nicht in der wirklichkeit. Das ist etwas ganz selbstverständliches, aber denken sie nicht, dass es allgemein bekannt ist. Das ist es tatsächlich nicht. Auch noch so gebildete menschen haben es nicht verstanden. Niemand hat mir in der schule beigebracht, wie ich leben soll, wie viel anderes ich auch gelernt haben mag. So sagte jemand: „ich habe eine hervorragende ausbildung genossen. Ich brauchte jahre, um darüber hinwegzukommen.“ Darum geht es bei dem, was ich spiritualität nenne: verlernen. Verlernen sie den vielen unsinn, den man ihnen beigebracht hat.

Die negativen gefühle gibt es nur in ihnen, nicht in der wirklichkeit. Hören sie ruhig damit auf, die wirklichkeit ändern zu wollen. Hören sie damit auf, andere ändern zu wollen. Wir verwenden unsere ganze zeit und kraft auf den versuch, äußere umstände verändern zu wollen; unsere ehefrauen, chefs, freunde, feinde – eben die anderen – umzukrempeln. Wir müssen nichts ändern. Die negativen gefühle gibt es nur in ihnen. Niemand auf der welt hat die macht, sie unglücklich zu machen. Es gibt nichts auf der welt, das die macht besäße, ihnen zu schaden oder sie zu verletzen: kein ereignis, keine umstände, keine situation, auch kein anderer mensch. Aber niemand hat es ihnen gesagt; vielmehr erzählt man ihnen das gegenteil...man hat sie über diese selbstverständlichkeit im unklaren gelassen...wenn sie mit dem knie an den tisch stoßen, macht das dem tisch nichts. er bleibt das, was er sein soll – ein tisch. Der schmerz ist in ihrem knie, nicht im tisch. (99)

Die mystiker wollen uns sagen, dass die wirklichkeit schon in ordnung ist; die wirklichkeit ist nicht problematisch. Probleme gibt es nur in den köpfen der menschen... gäbe es keinen menschen mehr auf diesem planeten, würden das leben und die natur in all ihrer schönheit und grausamkeit weitergehen. Wo läge dann das problem? Es gibt kein problem. Sie selbst haben das problem geschaffen – sie sind das problem. Sie haben sich mit dem „mich“ identifiziert...

Ihre frustration und nervenkitzel haben nichts mit glück zu tun. Es sind die ausschläge des pendels. Wenn sie spannung oder nervenkitzel suchen, machen sie sich auf frustration gefasst. Möchten sie ihre droge? Dann machen sie sich schon jetzt auf den katzenjammer gefasst. Das pendel schwingt hin und her.(100)

Sie haben also gold gefunden. Na und? Sie sind ein könig; sie sind eine prinzessin. Sie sind frei; es kümmert sie nicht, ob sie akzeptiert oder abgewiesen werden, es ist belanglos. Die psychologen sagen immer, wie wichtig es ist, einen sinn für zugehörigkeit zu entwickeln. Unsinn! Wieso möchten sie denn zu jemand gehören? Das spielt keine rolle mehr.

Einer meiner freunde erzählte mir, es gebe einen afrikanischen stamm, bei dem kapitalverbrechen mit verbannung bestraft würden...wie kam es, dass das afrikanische stammesmitglied starb? Weil es sich an der gemeinsamen dummheit der menschheit beteiligte. Er glaubte, er könnte nicht leben, wenn er zu niemandem mehr gehört. Unterscheidet er sich in diesem punkt wirklich so sehr von den meisten leuten? Er ist davon überzeugt, dass er zu jemandem gehören muss. Doch muss man zu irgendeiner gruppe gehören. Man muss nicht einmal verliebt sein. Wer hat ihnen gesagt, dass man das muss? Was sie wirklich brauchen, ist, frei zu sein und zu lieben. Das ist alles, das ist ihre natur. Doch was sie mir da erzählen, heisst, dass sie begehrt sein möchten. Sie möchten applaus, möchten attraktiv sein. Sie vergeuden ihr leben. wachen sie auf! (101)

Sie können ohne all das glücklich sein. Ihre gesellschaft wird nicht sehr erfreut sein, so etwas zu hören, denn sie werden zum schrecken, wenn sie die augen öffnen und das verstehen. Wie lässt sich ein solcher mensch noch kontrollieren? Er brauch einen nicht; er fürchtet keine kritik, es ist ihm egal, was man über ihn denkt oder was man von ihm sagt. Er hat all diese fesseln durchschnitten; er ist keine marionette mehr. Das ist erschreckend. „deshalb wollen wir ihn los sein. Er spricht die wahrheit; er hat sein furcht verloren; er ist nicht mehr menschlich.“ Das soll nicht menschlich sein? Das gegenteil ist der fall: endlich ein menschliches wesen! Er ist aus seiner sklaverei, aus seinem gefängnis ausgebrochen.

Kein ereignis rechtfertigt ein negatives gefühl. Es gibt keine situation auf der ganzen welt, die der grund für ein negatives gefühl sein könnte..aber niemand hört zu. das negative gefühl ist in ihnen. In der bahgavad-gita, dem heiligen buch der hindus, sagt krishna zu arjuna: „stürze dich in die hitze der schlacht und lege dein herz zu den lotusfüßen des herrn.“ (102)

Der arzt sagt: „ja, ihre symptome kenne ich sehr gut. Wissen sie, was ich jetzt tun werde? Ich verschreibe ihnen eine arznei für ihren nachbarn.“ Der patient erwidert: „vielen dank, herr doktor, das wird mir sehr helfen.“ Ist das nicht absurd? Aber so handeln wir alle. Derjenige, der schläft, denkt immer, es würde ihm besser gehen, wenn ein anderer sich ändert. Sie leiden, weil sie schlafen...sie sind genauso verwundbar wie vorher, schlafen genauso wie vorher. Sie sind derjenige, der sich ändern muss, der die arznei zu schlucken hat. Doch sie bestehen darauf: „ich fühle mich gut, weil die welt in ordnung ist.“ Irrtum! Die welt ist in ordnung, weil ich mich gut fühle. Das ist die botschaft, die uns alle mystiker verkünden. (103)

Dazu: Es gibt keine Erklärung für all das Leid, das Böse, die Qualen, die Zerstörung und den Hunger in der Welt. Es ist nicht zu ergründen, sosehr wir uns mit unseren religiösen oder sonst welchen Theorien darum bemühen, es bleibt uns verschlossen. Denn das Leben ist ein Rätsel, und das bedeutet, dass Ihr denkender Kopf darin keinen Sinn sehen kann. Darum müssen Sie erwachen, und Sie werden plötzlich verstehen, dass nicht die Wirklichkeit das Problem ist, sondern Sie. (107)

Sie würden lieber etwas tun? Aber selbst dann müssen wir uns versichern, dass Sie nicht einfach einem Aktivismus verfallen, mit dem Sie Ihre negativen Gefühle loswerden wollen. Viele stürzen sich einfach in irgendeine Aktivität und machen damit alles noch schlimmer. Sie handeln nicht aus Liebe, sondern aus negativen Gefühlen heraus. Sie handeln aus Schuldgefühlen, Ärger, Hass; aus einem Ungerechtigkeitsgefühl oder was auch immer. Erst müssen Sie sich über Ihr „Sein“ klar werden, bevor Sie loslegen. Sie müssen sich erst klar darüber sein, wer Sie sind, bevor Sie handeln.   (109)

Führen Sie dieses Programm aus, tausendmal:

a)       Erkennen Sie die negativen Gefühle in sich;

b)       Verstehen Sie, dass diese Gefühle in Ihnen sind und nicht in der Welt, nicht in der Wirklichkeit;

c)       Betrachten Sie diese Gefühle nicht als wesentlichen Bestandteil des „Ichs“; sie kommen und gehen;

d)       Erkennen Sie, dass sich alles ändert, wenn Sie sich ändern.

Denken Sie an jemanden, mit dem Sie leben oder arbeiten, und den Sie nicht mögen, der bei Ihnen negative Gefühle weckt. Ich will versuchen, Ihnen verständlich zu machen, was hier vor sich geht. Das erste, was Sie verstehen müssen, ist, dass das negative Gefühl in Ihnen ist. Sie selbst sind dafür verantwortlich und niemand sonst. Ein anderer wäre in Gegenwart dieses Menschen völlig ruhig und gelöst; er wäre ihm gleichgültig. IHNEN aber nicht. Dann müssen Sie noch etwas anderes einsehen, nämlich, dass Sie Ansprüche erheben. Sie haben eine bestimmte Erwartung an diese Person. Verstehen Sie das? Dann sagen Sie dem oder der Betreffenden: "Ich habe kein Recht, irgendeinen Anspruch an dich zu stellen." Wenn Sie das sagen, werden Sie Ihre Erwartungen aufgeben. "Ich habe kein Recht, einen Anspruch an dich zu stellen. Ja, ich werde mich schon vor den Folgen deines Tuns, deiner Stimmungen oder was auch immer zu schützen wissen, aber du sei nur, was du sein möchtest. Ich habe kein Recht, Ansprüche an dich zu stellen." Achten Sie darauf, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie das tun. Spüren Sie in sich einen Widerstand, das zu sagen, werden Sie noch viel über Ihr "Mich" herausfinden. Sie dachten, Sie seien ein richtig kleines Unschuldslamm, nicht wahr? Doch ich bin ein Tyrann, und Sie sind ein Tyrann - eine kleine Variante von "Ich bin ein Narr, du bist ein Narr." Ich bin ein Diktator, du bist ein Diktator. Ich möchte dein Leben für dich führen; ich möchte dir genau vorschreiben, wie du sein sollst, und wie du dich zu verhalten hast; und du solltest dich wirklich so verhalten, wie ich es beschlossen habe, sonst bestrafe ich mich selbst mit meinen negativen Gefühlen...jeder ist irgendwie verrückt. (111)

Einige haben mich gefragt, was ich damit gemeint habe, als ich sagte: "seien sie ganz sie selbst, das ist in ordnung, aber ich werde mich schützen: ich werde ganz ich selbst sein." mit anderen worten: ich werde dir nciht gestatten, mich zu manipulieren. ich lebe mein leben, gehe meinen eigenen weg; ich werde mir immer erlauben, meine eigenen gedanken zu haben, meine eigenen neigungen und meinen eigenen geschmack. ich werde dir auch nein sagen können.

wenn ich nicht mit dir zusammen sein möchte, dann nicht wegen irgendwelcher negativen gefühle, die du in mir weckst. das kannst du einfach nicht mehr, du hast keine macht mehr über mich. ich möchte vielleicht lieber mit jemand anderem zusammen sein. wenn du mich zum beispiel fragen würdest: "hättest du lust, heute abend mit mir ins kino zu gehen?", könnte ich dir antworten: "tut mir leid, ich möchte mit jemand anderem gehen; ich möchte lieber mit ihm zusammensein." das wäre völlig in ordnung.

es ist wunderbar, nein sagen zu können; es gehört mit zum wachwerden. es gehört zum wachwerden, sein leben so zu leben, wie man es für richtig hält.

verstehen sie mich recht: das hat nichts mit egoismus zu tun. egoistisch wäre es, zu verlangen, dass jemand sein leben so lebt, wie Sie es für richtig halten. DAS ist egoistisch. es ist nicht egoistisch, sein leben so zu leben, wie man es selbst für richtig hält... (114)

 

Früher oder später wird sich Ihr Kind von Ihnen lösen müssen. Und sie werden keine rechte mehr über ihre tochter oder ihren sohn haben. im grunde ist sie oder er auch nicht ihr kind – das sind sie nie gewesen. Ihr kind gehört dem leben, nicht ihnen. Niemand gehört ihnen. Wovon sie sprechen, ist die erziehung des kindes... (120) 

„Der Wissende spricht nicht, der Sprechende weiß nicht.“ (Sprichwort aus dem Orient) 

wahrheit ist nicht in worte oder in einen lehrsatz zu fassen. Das ist nicht die wahrheit. Das ist nicht die wirklichkeit. Die wirklichkeit kann nicht auf eine formel gebracht werden. Wenn sie von ihren irrtümern abstand nehmen, werden sie die wahrheit erfahren. Und nicht einmal dann können sie sie in worte fassen. (121) 

es ist erschreckend zu sehen, was aufrechte gläubige zu tun bereit sind, weil sie meinen, bescheid zu wissen. wäre es nicht großartig, wenn es eine welt gäbe, in der alle sagten: „wir wissen nicht?“ eine große hürde wäre genommen. (123) 

alle offenbarungen, wie göttlich sie auch sein mögen, können nie mehr sein als ein fingerzeig zum mond. So wie wir im orient sagen: „Wenn der Weise auf den Mond zeigt, sieht der Tor nur den Finger.“

„Wir gebrauchen unsere finger oft, um augen auszustechen.“ (jean guitton) (124/125) 

betrachten wir einen menschen, sehen wir ihn in wirklichkeit nicht, wir meinen nur, wir sehen ihn. wir sehen nur das, was wir uns vorher eingeprägt haben... wir betrachten diesen menschen mit diesem eindruck. So machen wir es mit beinahe allem.

Der kleine fisch im ozean sagt: „entschuldigen sie, ich suche den ozean. Können sie mir sagen, wo ich ihn finde?“ man kann nur mitleid mit ihm haben, nicht wahr? Würden wir nur unsere augen öffnen und sehen, würden wir auch verstehen. (125)

"Stürze dich in die Hitze der Schlacht und lege dein Herz zu den Lotosfüßen des Herrn." (Krishna zu Arjuna in Bhagavad-Gita, heiliges Buch der Hindus)

Man ist nie so sehr mit sich selbst beschäftigt, wie wenn man Schmerzen hat. Man konzentriert sich nie so sehr auf sich selbst, wie wenn man deprimiert ist. Man ist nie so sehr bereit, sich selbst zu vergessen, wie wenn man glücklich ist. Glück befreit vom Selbst. Leid, Schmerz, Verzweiflung und Niedergeschlagenheit fesseln an das Selbst. (126)

"Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht." (Matthäusevangelium, Kapitel 6)

Geschichte/Gleichnis über das "Gesetz des Lebens":

Ich kenne dazu eine Geschichte, die nachdenklich macht: Ein
kleiner Junge spaziert am Ufer eines Flusses entlang. Er sieht ein
Krokodil, das sich in einem Netz verfangen hat. Das Krokodil sagt:
»Hab Mitleid mit mir und befreie mich! Ich sehe vielleicht häßlich
aus, aber dafiir kann ich nichts, ich bin so auf die Welt gekommen.
Aber wie häßlich ich auch aussehen mag, so habe ich doch ein lie-
bendes Mutterherz. Als ich heute früh Futter für meine Kleinen such-
te, ging ich in diese Falle!«
Der Junge erwidert: »Wenn ich dich befreie, rangst du mich und
tötest mich.« Das Krokodil fragt: »Glaubst du, dass ich so etwas
meinem Wohltäter und Befreier antun könnte?«
Der Junge ist überzeugt und öffnet das Netz. Sofort schnappt das
Krokodil nach ihm. Im Rachen des Krokodils sagt der Junge: »Das
also ist dein Lohn fiir mein gu- tes Werk.« Das Krokodil entgegnet:
»Nimm's nicht persönlich, Kleiner, so ist die Welt nun einmal, das
ist das Gesetz des Lebens.«
Der Junge widerspricht, bis das Krokodil den Vorschlag macht:
»Willst du einen anderen fragen, ob das stimmt?« Der Junge sieht
einen Vogel, der auf einem Ast sitzt und fragt ihn: »Vogel, stimmt
das, was das Krokodil sagt?« »Ja«, antwortet der Vogel, »das Kroko-
dil hat recht. Sieh mich an: Ich kam einmal mit Futter für meine
Jungen nach Hause, und stell dir diesen Schreck vor: ich sah eine
Schlange, die den Baumstamm hinaufkroch, genau auf mein Nest
zu. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Sie verschlang meine Jun-
gen, eines nach dem anderen. Ich kreischte und schrie, alles war
zwecklos. Das Krokodil hat recht, das ist das Gesetz des Lebens, so
ist die Welt nun einmal.
»Siehst du«, sagt das Krokodil. Doch der Junge bittet: »Laß mich
noch jemanden fragen.« Das Krokodil sagt: »Von mir aus!«
Da kommt ein alter Esel
Da kommt ein alter Esel
am Ufer dahergetrottet.
»Esel«, sagtderJunge,
»stimmt das, was das Kro-
kodil sagt?« Der Esel ant-
wortet: »Das Krokodil hat
schon recht. Sieh mich an.
Mein Leben lang habe ich
für meinen Herrn geschuftet
und gerackert und dafür
kaum genug Futter bekom-
men. Jetzt, da ich alt und
nutzlos bin, ließ er mich
laufen. So streife ich durch
den Dschungel und warte darauf, dass mich ein wildes Tier an-
springt und meinem Leben ein Ende macht. Das Krokodil hat recht,
das ist das Gesetz des Lebens, so ist die Welt nun einmal.«
»Siehst du«, sagt das Krokodil, »also los!« Doch der Junge bittet
es: »Gib mir noch eine Chance, eine letzte Chance. Laß mich noch
ein anderes Wesen fragen. Denk daran, wie gut ich zu dir war.« Das
Krokodil gibt nach: »Gut, du sollst deine letzte Chance haben.«
Der Junge sieht einen Hasen vorbeilaufen und fragt ihn: »Hase,
hat das Krokodil recht?« Der Hase richtet sich auf seinen Hinterläu-
fen auf und fragt das Krokodil: »Das hast du gesagt?« »Ja, das habe
ich.« »Einen Augenblick mal«, sagt der Hase, »darüber müssen wir
diskutieren.« »Von mir aus«, sagt das Krokodil. Doch der Hase fährt
fort: »Wie können wir darüber sprechen, wenn du einen Jungen im
Maul hast? Laß ihn raus; auch er muss an unserer Diskussion teil-
nehmen.«
Das Krokodil erwidert: » Du bist schön schlau. Sobald ich ihn her-
auslasse, läuft er davon. « Der Hase aber gibt zurück: » Ich dachte, du
hättestmehrVerstand als er. Sobald erwegzulaufen versucht, kannst
du ihn mit einem Schlag deines Schwanzes töten.« »Also gut«, sagt
das Krokodil und lässt den Jungen los. Im selben Moment ruft der
Hase: »Lauft« Der Junge läuft und ist gerettet-
Nach kurzer Zeit fragt der Hase denJungen: »Magst du denn kein
Krokodilfleisch? Möchten die Leute aus deinem Dorf nicht einmal
ein gutes Essen? Du hast das Krokodil nicht vollständig befreit; sein
ganzes Hinterteil steckt noch im Netz. Warum gehst du nicht ins
Dorfund bringst alle her? Dann macht ihr ein Festessen.«
Gesagt, getan. Der Junge geht ins Dorfund ruft alle Männer
zusammen. Sie kommen mit Äxten, Knüppeln und Speeren und
töten das Krokodil. Der Hund des Jungen läuft hinter der Menge her.
Sofort sieht er den Hasen, jagt ihm nach, packt ihn und beißt ihn in
die Kehle. Der Junge eilt herbei, doch zu spät. Während er den Hasen
in den letzten Zügen sieht, sagt er: »Das Krokodil hatte doch recht,
so ist die Welt nun einmal, das ist das Gesetz des Lebens.«
Es gibt keine Erklärung für all das Leid, das Böse, die Qualen, die
Zerstörung und den Hunger in der Welt. Es ist nicht zu ergründen,
sosehr wir uns mit unseren religiösen oder sonst welchen Theorien
darum bemühen, es bleibt uns verschlossen. Denn das Leben ist ein
Rätsel, und das bedeutet, dass Ihr denkender Kopf darin keinen Sinn
sehen kann. Darum müssen Sie erwachen, und Sie werden plötzlich
verstehen, dass nicht die Wirklichkeit das Problem ist, sondern Sie.

 

Ab hier wurde (grob) gescannt, weshalb einige Sätze abgebrochen oder zusammenhangslos sein können.

Aus der Vielfalt der Illusionen auch diese: äußere Ereignisse hät- ten die Macht, Ihnen Schaden zuzufügen, andere Menschen besäßen die Macht, Sie zu verletzen. Diese Macht haben sie jedoch nicht, vielmehr sind Sie es, die ihnen Macht dazu verleihen. Sodann die Illusion: Sie seien all die Etiketten, die andere Ihnen aufgeklebt oder die Sie sich selbst zugelegt haben. Aufkeinen Fall sind Sie diese Etiketten, Sie müssen sich deshalb nicht daran klam- mem. An dem Tag, da mir jemand erzählt, ich sei ein Genie, und ich das ernst nehme, steht es schlimm um mich. Wissen Sie auch war- um? Weil ich jetzt anfange, mich zu verkrampfen: ich muss diesem (136)

Anspruch gerecht werden, darf das Erreichte nicht verlieren. Nach jedem Vortrag muss ich herausfinden: "Hat Ihnen mein Vortrag gefallen? Finden Sie immer noch, dass ich ein Genie bin?" Merken Sie etwas? Was Sie also tun müssen, ist, die Etiketten von sich zu reißen: werfen Sie sie weit weg, und Sie sind frei! Identifi- zieren Sie sich nicht mit solchen Aufklebern! Sie zeigen doch nur, was andere von Ihnen denken, wie jemand Sie gerade erlebt hat. Sind Sie wirklich ein Genie? Sind Sie ein Spinner? Sind Sie ein Mystiker? Sind Sie überspannt? Was hat das schon zu sagen, vorausgesetzt, Sie bleiben wach und leben Ihr Leben von Augenblick zu Augen- blick. Dazu steht im Evangelium der wunderbare Satz: "Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sam- meln keine Vorräte in Scheunen... Lerntvon den Lilien, die auf dem Feld wachsen... sie arbeiten nicht und spinnen nicht" (Mt 6,26-28). Das ist wirklich mystische Rede -eines erwachten Menschen. Warum haben Sie also Angst? Können Sie mit all Ihren Ängsten Ihr Leben auch nur um den kürzesten Augenblick verlängern? War- um sich wegen des Morgen beunruhigen? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Werde ich nach dem Tod weiterleben? Warum sich mit dem Morgen plagen? Kommen Sie ins Heute. Jemand sagte einmal: "Das Leben ist etwas, das uns widerfährt, während wir damit beschäftigt sind, andere Pläne zu schmieden." Das ist tragisch.

Ich trafeinen lange verloren geglaubten Freund wieder. "Hallo, Tom~~, rufe ich, "schön, dich zu sehen,~~ und umarme ihn fest. Doch wen umarme ich da? Tom oder meine Erinnerung an ihn? Einen lebendigen Menschen oder einen Toten? Ich setze einfach voraus, dass er immer noch der liebenswerte Bursche ist, der er war. Ich setze einfach voraus, dass er mit meinem Bild übereinstimmt, das ich von ihm habe, und mit meinen Erinnerungen und Assoziatio- nen. Deswegen umarme ich ihn. FünfMinuten später stelle ich fest, dass er sich verändert hat, und ich verliere das Interesse an ihm. Ich habe den Falschen umarmt. (137)

Die Schwester kehrt also in ihre Gemeinschaft zurück, und da die Gemeinschaft eine feste, von Vorurteilen belastete Meinung von ihr hat, wird sie immer noch mit ihren Vorurteilen angesehen. Ihre Mitschwestern sind die einzigen, die keine Veränderung an ihr bemerken. Sie sagen nur: ))Ja, sie wirkt ein bißchen schwungvoller, aber wartet nur, bald wird sie wieder frustriert sein." Und nach eini- gen Wochen ist sie tatsächlich so weit; sie reagiert auf deren Reak- tion. Und alle sagen: ))Siehst du, was haben wir gesagt, sie hat sich nicht verändert!" Aber das Tragische daran ist, dass sie sich doch verändert hatte und es von den Mitschwestern nur nicht bemerkt worden war. Verhinderte Wahrnehmung kann in der Liebe und in menschlichen Beziehungen verheerende Folgen haben. Was immer eine Beziehung auch sein mag, sie erfordert mit Sicherheit zweierlei: eine klare Wahrnehmung (soweit wir dazu fähig sind; manche streiten sich darüber, bis zu welchem Grad wir (140)

"Die Furcht vor dem Herrn ist der Beginn der Weisheit", sagen mir manche. Doch warten Sie ein wenig. Ich hoffe, sie verstehen, was sie gesagt haben, denn wir hassen immer, was wir furchten. Was wir fürchten, möchten wir immer zunichte machen, möchten es loswerden, es meiden. Wenn Sie jemanden furchten, mögen Sie den- oder diejenige nicht. Sie mögen diese Person insofern nicht, als Sie sie furchten. Auch sehen Sie diese Person nicht, denn Ihre Gefuhle stehen Ihnen im Weg. Das gilt auch dann, wenn Sie sich zu jemand (141)

Warum verliebe ich mich eigentlich? Wieso verliebe ich mich in bestimmte Menschen und in andere nicht? Weil ich beeinflußtwur- de. Unbewusst habe ich mir ein Bild geschaffen, wodurch dieser bestimmte Menschentyp auf mich anziehend wirkt. Begegne ich also diesem Menschen, verliebe ich mich Hals über Kopf in ihn. Habe ich aber ihn oder sie wirklich gesehen? Nein, das werde ich erst nach der Hochzeit; denn dann kommt das Erwachen! Dann könnte die Liebe beginnen. Aber Sich-Verlieben hat mit Liebe nichts zu tun. Es ist keine Liebe, sondern Verlangen, brennendes Verlan- gen. Sie sehnen sich von ganzem Herzen danach, von diesem anbe- tungswÜrdigen Geschöpf gesagt zu bekommen, dass Sie auf es anziehend wirken. Das gibt Ihnen ein tolles Gefühl. währenddes- sen sagtjeder: "Was, um Himmelswillen, findet er nur an ihr?" Das ist seine Voreingenommenheit -er sieht nicht. Man sagt: Liebe macht blind. Sie können mir glauben, es gibt nichts Scharfsichtigeres als wahre Liebe, nichts. Sie ist das Scharf- (142)

Der große Krishnamurti drückte das schön und treffend aus: "An dem Tag, da du deinem Kind den Namen des Vogels lehrst, wird es den Vogel nicht mehr sehen." Wie wahr! Wenn Ihr Kind die- ses flaumige, lebendige, munter umherhüpfende Etwas zum ersten Mal sieht, und Sie zu ihm sagen: "Spatz", dann wird es, sobald es ein anderes flaumiges, umherhüpfendes, ähnliches Etwas sieht, (145)

sagen: "Och, Spatzen, Spatzen kenne ich schon. Die sind ja so lang- weilig." Wenn Sie die Dinge nicht durch das Gitter Ihrer Begriffe betrach- ten, werden sie Sie nie langweilen; jedes einzelne ist einzigartig. Jeder Spatz ist anders als der andere -trotz aller Ähnlichkeiten. Ähn- lichkeiten sind zwar eine große Hilfe, damit wir abstrahieren und überhaupt Begriffe bilden können, sie dienen der Kommunikation, der Bezeichnung, der Wissenschaft. Aber sie ruhren auch in die Irre, hindern uns daran, dieses konkrete Individuum zu sehen. Wenn Sie nur Begriffe erfahren, erfahren Sie nicht die Wirklichkeit, denn die Wirklichkeit ist konkret. Begriffe sind eine Hilfe, Sie an die Wirk- lichkeit zufiihren, wenn Sie aber an sie herangekommen sind, mÜs- sen Sie sie unmittelbar erfahren und intuitiverfassen. (146)

dem wir Dinge in Begriffe fassen, hören sie auf zu fließen; sie wer- den unbeweglich, statisch und tot. Eine gefrorene Welle ist keine Welle mehr. Eine Welle besteht aus Bewegung und Dynamik; gefriert sie, ist sie keine Welle mehr. Begriffe sind immer starr und gefroren. Die Wirklichkeit ist dynamisch. Wenn wir schließlich den Mystikern glauben (und es bedarfkei- ner großen Mühe, es zu verstehen oder sogar zu glauben, wenn es auch kaum jemand so schnell auffällt) , dann ist die Wirklichkeit das Ganze, während Worte und Begriffe nur Bruchteile von ihr sind. Des- wegen ist es auch so schwierig, etwas von einer Sprache in die ande- re zu übersetzen, denn jede Sprache beleuchtet die Wirklichkeit von einer anderen Seite. So lässt sich zum Beispiel das englische Wort (147)

als Wegweiser zur Wirklichkeit. Sobald wir bei ihr angelangt sind, sind Begriffe nutzlos. Ein Hindupriester diskutierte einmal mit einem Philosophen, der behauptete, dass das letzte Hindernis zu Gott das Wort "Gott", sei, der Begriff von Gott. Der Priester war darüber schockiert, aber der Philosoph sagte: "Der Esel, auf dem du sitzt, und mit dem du zu einem Haus gelangst, ist nicht das Mittel, um in das Haus hinein- zukommen. Du gebrauchst den Begriff, um dorthin zu gelangen; dann steigst du ab und lässt ihn zurück." Sie müssen kein Mystiker sein, um zu verstehen, dass die Wirklichkeit nicht mit Worten und Begriffen einzufangen ist. Um die Wirklichkeit zu kennen, müssen Sie wissen, über das Wissen hinaus. Wem das Buch "Die Wolke des Nichtwissens" vertraut ist, der wird diesen Ausdruck sicherlich wiedererkennen. Die Werke von Dichtern, Malern, Mystikern und den großen Philosophen rühren alle an die Wahrheit dieses Wortes. Nehmen wir einmal an, ich betrachte eines Tages einen Baum. Wenn ich bisher einen Baum sah, habe ich immer gedacht: "Okay, das ist eben ein Baum." Schaue ich aber heute einen Baum an, sehe ich gar keinen Baum; zumindest sehe ich nicht das, was ich zu sehen gewohnt bin. Ich sehe etwas mit dem unverbrauchten Wahrnehmungsvermögen eines Kindes. Ich habe kein Wort dafiir. Ich sehe etwas Einzigartiges, Ganzes, Fließen- des, nichts Bruchstückhaftes und stehe ganz ehrfiirchtig davor. WÜr- den Sie mich fragen: "Was hast du gesehen?" Was meinen Sie, WÜr- de ich antworten? Ich habe kein Wort dafiir. Für die Wirklichkeit gibt es keine Worte. Denn sobald ich ein Wortverwende, sind wirwieder bei den Begriffen. Aber wenn ich schon die Wirklichkeit, die meine Sinne wahr- (148)

nehmen können, nicht ausdrücken kann, wie lässt sich dann etwas in Worte fassen, was mit den Augen nicht zu sehen und mit den Ohren nicht zu hören ist? Wie lässt sich ein Wort für die Wirklichkeit Gottes finden? Beginnen Sie nun zu verstehen, was Thomas von Aquin, Augustinus und viele andere Theologen gesagt haben, und was die Kirche ständig lehrt, nämlich, dass Gott ein für den Men- schen unbegreifliches Geheimnis ist? (149)

Was meinen Sie eigentlich? Ein international angesehener Bibeltheologe besuchte einen Kurs von mir in San Francisco und sagte: "Mein Gott, nachdem ich Sie gehört habe, sehe ich ein, dass ich mein ganzes Leben lang einen Götzen angebetet habe!" Er sagte das ganz offen. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich einen Götzen verehre. Mein Götze war nicht aus Holz oder Metall, sondern es war ein geistiger Götze. " Das sind die gefährlicheren Götzendiener. Sie besitzen eine sehr raffi- nierte Substanz, den Verstand, aus dem sie ihren Gott schaffen- Wozu ich Sie hier bringen möchte, ist dies: dass Sie sich der Wirklichkeit, die Sie umgibt, bewusstwerden. Sich bewusstwerden heißt beobachten, betrachten, was in Ihnen und um Sie herum vor- geht. "Vorgeht" ist ziemlich exakt: Bäume, Gras, Blumen, Tiere, Fels, alles, was wirklich ist, bewegt sich. Man beobachtet es, man betrachtet es. Es ist fiir die Menschen wichtig, dass sie sich nicht nur selbst, sondern die ganze Wirklichkeit beobachten. Sind Sie in Ihren Begriffen gefangen, möchten Sie aus Ihrem Gefängnis ausbrechen? Dann schauen Sie, beobachten Sie -stun- denlang. Was sollen Sie beobachten? Alles. Die Gesichter der Men- schen, die Form der Bäume, einen Vogel im Flug, einen Haufen Stei- ne oder das Gras. Kommen Sie in Kontakt mit den Dingen, schauen Sie sie an. Dann werden Sie hoffentlich aus diesen starren Mustern, aus alldem, was unser Denken und unsere Worte uns aufgezwun- gen haben, ausbrechen. Hoffentlich werden wir dann sehen. Doch was werden wir sehen? Dieses eine, was wir Wirklichkeit nennen - was auch immer hinter Worten und Begriffen stecken mag. Dies ist eine geistliche Übung -verbunden mit dem Ausbrechen aus Ihrem Käfig, der aus Worten und Begriffen gebaut ist. (150)

Es ist traurig, wenn wir durchs Leben gehen und es niemals mit den Augen eines Kindes sehen. Das heißt nicht, dass Sie jetzt auf alle Ihre Begriffe verzichten sollten; sie haben durchaus ihren Wert. Obwohl wir ohne sie beginnen, haben Begriffe doch eine sehr posi- tive Funktion. Dank ihrer entwickeln wir unsere Intelligenz. Wir sind eingeladen, nicht Kinder zu werden, sondern wie die Kinder zu werden. Wir müssen aus einem Stand der Unschuld fallen und aus dem Paradies vertrieben werden; wir müssen ein "Ich" und ein "Mich" mit diesen Begriffen entwickeln. Danach aber müssen wir ins Paradies zurückkehren, müssen noch einmal erlöstwerden. Wir müssen den alten Menschen in uns ablegen, unser altes Wesen, das beeinflußte Selbst, und in den Stand des Kindes zurückkehren, ohne ein Kind zu sein. Zu Beginn unseres Lebens betrachten wir die Wirklichkeit als Wunder, aber nicht mit dem intelligenten Staunen der Mystiker, sondern mit dem gestaltlosen Staunen des Kindes. Danach vergeht das Wunder und macht der Langeweile Platz, weil wir die Sprache entwickeln mit ihren Wörtern und Begriffen- Danach, hoffentlich, können wir, wenn wir Glück haben, wieder zumWunderzurückkehren. (151)

'"1 Ton Dag Hammaskjöld, dem 1961 ums Leben gekom- V menen Generalsekretär der Vereinten Nationen und Friedensnobelpreisträger, stammt der Satz: "Gott stirbt nicht an dem Tag, an dem wir nicht mehr an eine personale Gottheit glau- ben. Vielmehr sterben wir an dem Tag, an dem unser Leben nicht mehrvom beständigen Glanz der täglich erneuerten Wunder erhellt wird, deren Quelle jenseits aller Vernunft liegt." Wir brauchen uns nicht um ein Wort zu streiten, nicht um den Begriff "Gott" .Über die Realität lässt sich nicht streiten; streiten lässt sich um Ansichten, Begriffe, Urteile. Trennen Sie sich von Ihren Begriffen, Ihren Mei- nungen, Vorurteilen und Urteilen, und Sie werden das verstehen. (152)

Seil. Jemand fragt dich: >Wird dieses Seil einhundertzwanzig Pfund aushalten?< Worauf du Ja sagst. >Gut,< sagt derjenige, >dann lassen wir jetzt deinen besten Freund an diesem Seil herunter.< Und du sagst sofort: >Einen Augenblick, laßt mich das Seil noch einmal testen. Plötzlich bist du dir nicht mehr sicher."< Lewis sagtin seinem Buch auch, dass wir nichts von Gottwissen können und sogar unser Fragen nach Gott absurd ist. Warum? Weil es so wäre, als würde ein von Geburt an Blinder Sie fragen: "Ist die Farbe grün eigentlich heiß oder kalt?" "Neti, neti" -nicht das, nicht das. "Ist sie kurz oder lang? Nicht das! "Ist sie süß oder sauer?" Nicht das. (154)

Heutzutage ist bei Ländern der Dritten Weltviel von "Inkultura- tion" die Rede. Was ist "Kultur" überhaupt? Ich bin über diesen Aus- druck nicht sehr glücklich. Besagt er, dass man gerne etwas tun möchte, weil man so abgerichtet wurde? Dass man gerne etwas flihlen möchte, weil man so abgerichtetwurde? Ist das kein mecha- nisches Leben? Stellen Sie sich ein amerikanisches Babyvor, das rus- sische Eltern adoptieren und mit nach Rußland nehmen. Das Kind hat keine Ahnung, dass es in Amerika geboren wurde. Es wächst mit der russischen Sprache auf, wird russisch erzogen -es lebt und stirbt flir Mütterchen Rußland; es haßt Amerikaner. Das Kind ist durch (156)

- Ich erinnere mich an einen anderen Jesuiten, der bei einem inter- nen Treffen von Angehörigen unserer Provinz in Bombay zu uns sag- te: "Ich bin achtzig Jahre alt, fünfundsechzig Jahre davon Jesuit. Ich habe nie meine Meditationsstunde ausgelassen -kein einziges Mal. " Das könnte durchaus sehr bewundernswert sein, doch genausogut zwanghaft. Jedenfalls kein großes Verdienst, wenn es automatisch getan wird. Das Schöne einer Tat ergibt sich nicht daraus, dass sie zur Ge- wohnheit geworden ist, sondern aus dem Gespür, aus dem Bewusst- sein, einer klaren Wahrnehmung und angemessenen Erwiderung. Ich kann zu einem Bettler ja sagen und zu dem nächsten nein, ohne durch irgendwelche Beeinflussungen oder Programmierungen, durch meine bisherigen Erfahrungen oder meine Kultur dazu gezwungen zu sein. Nichts wurde mir fest eingeprägt, und wenn, handele ich nicht mehr danach. Hätten Sie zum Beispiel einmal (157)

schlechte Erfahrungen mit einem Amerikaner gemacht, wären Sie einmal von einem Hund gebissen worden oder wäre Ihnen einmal ein bestimmtes Essen nicht gut bekommen, dann wären Sie für den Rest Ihres Lebens von diesen Erfahrungen beeinflußt, und das wäre schlecht! Sie müssen davon befreit werden. Übernehmen Sie keine Erfahrungen aus der Vergangenheit, auch keine guten. Lernen Sie, was es bedeutet, etwas vollständig zu erfahren, lassen Sie es dann hinter sich und gehen Sie weiter zum nächsten Moment, vom vor- angegangenen unbeeinflußt. Mit so wenig Ballast würden Sie rei- sen, dass Sie durch ein Nadelöhr kämen. Dann wüßten Sie, was ewi- ges Leben ist, weil ewiges Leben jetzt ist, im zeitlosenletzt. Nur so werden Sie in ewiges Leben eintreten. Aber wieviele Dinge schleppen wir mit uns herum! Wir machen uns nie daran, uns selbst zu befreien, den Ballast abzuwerfen und einfach wir selbst zu sein. Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass ich immer wieder Muslimen begegne, die ihre Religion, ihren Gottes- dienst und ihren Koran dazu benutzen, sich von dieser Aufgabe abzulenken. Dasselbe gilt auch für Hindus und Christen. Können Sie sich den Menschen vorstellen, der nicht mehr durch Worte beeinflußt wird? Sie können ihm alle Worte sagen, und er wird sich nicht von ihnen beeindrucken lassen. Sie können sagen: ))Ich bin KardinalerzbischofSoundso," und es wird ihn nicht be- rühren. Er wird Sie als das sehen, was Sie sind. Er lässt sich von kei - nen Etiketten und Schubladen beeinflussen. (158)

Nicht anders verhält es sich mit uns selbst. Von allen Fasern, allen lebenden Zellen unseres Körpers und von allen unseren sin- nen bekommen wir Rückmeldungen aus der Realität. Doch wir fil- tern ständig etwas heraus. Aber was ist denn unser Filter? Unsere Kultur? Die Art, wie wir vorprogrammiert wurden? Die anerzogene Weise, die Dinge zu sehen und zu erfahren? Sogar unsere Sprache kann ein Filter sein. Manchmal wird soviel herausgefiltert, dass manche Dinge, die es gibt, gar nicht mehr gesehen werden. Betrach- ten Sie doch nur einen Menschen, der an Verfolgungswahn leidet und sich ständig von etwas bedroht fiihlt, das es gar nicht gibt; der die Wirklichkeit dauernd aus der Sicht bestimmter Erfahrungen der Vergangenheit oder bestimmter Beeinflussungen interpretiert. (159)

Als wir jung waren, wurden wir auf vielerlei Weise abhängig ge- macht. Wirwurden so erzogen, dass wir andere Leute brauchen. Wo- für? Für Akzeptanz, Zustimmung, Wertschätzung, Applaus -für das, was man Erfolg nennt: alles Worte, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Es handelt sich hierbei um Konventionen und Erfindungen, und wir merken nicht, dass sie sich nicht mit der Rea- lität decken. Was ist Erfolg? Das, wovon eine Gruppe entschieden hat, dass es etwas Positives ist. Eine andere Gruppe würde vielleicht entscheiden, dass es etwas Schlechtes ist. Was in Washington posi- tiv ist, kann in einem Karthäuserkloster negativ sein. Erfolg in einem politischen Bereich kann in einem anderen Zusammenhang Ver- sagen darstellen. Alles ist Konvention, wenngleich wir so tun, als sei es die Wirk- lichkeit. Als wir klein waren, wurden wir zum Unglücklichsein pro- grammiert. Man brachte uns bei, zum Glück gehöre Geld, Erfolg, ein gut aussehender Partner bzw. eine Partnerin, ein guter Job, Freundschaft, Spiritualität, Gott- Sie sagen es. Solange Sie das alles nicht bekommen, werden Sie auch nicht glücklich sein, wurde uns gesagt. Genau das nenne ich "sein Herz an etwas hängen". Dieses Verhaftetsein besteht in dem Glauben, dass man ohne etwas Bestimmtes nicht glücklich werden könne. Ist man erst einmal davon überzeugt -und das dringt tief in Ihr Unterbewusstsein ein, in die Wurzeln Ihres Seins -sind Sie erledigt. "Wie könnte ich glück- (160)

Was tun denn die Menschen ihr ganzes Leben lang? Sie kämpfen ständig, kämpfen und kämpfen. Das nennen sie dann überleben. Wenn der Durchschnittsamerikaner sagt, er oder sie würde seinen oder ihren Lebensunterhalt verdienen, unterhalten sie nicht ihr Leben, o nein! Sie haben viel mehr als sie zum Leben brauchen. Kommen Sie nach Indien und überzeugen Sie sich davon. Man braucht nicht all die Autos, um leben zu können, genausowenig wie einen Fernsehapparat. Man braucht nicht die vielen Kosmetika, um zu leben, und auch keinen vollen Kleiderschrank. Aber versuchen Sie einmal, einen Durchschnittsamerikaner davon zu überzeugen: sie wurden so beeinflußt, programmiert. Sie arbeiten und mühen sich ab, das ersehnte Gut zu bekommen, das ihr Glück bedeutet. (161)

Ich hatte zwar Angst, es zu sagen, aber ich sprach zu Gott, und ich sagte ihm, dass ich ihn nicht bräuchte. Meine erste Reaktion war: "Das steht zu allem, was ich gelernthabe, im glatten Widerspruch." Manche möchten auch bei ihrer Bindung an Gott eine Ausnahme machen. Sie sagen: "Wenn Gott der ist, der er meiner Meinung nach sein sollte, wird es ihm nicht gefallen, wenn ich meine Bindung an ihn aufgebe!" Gut, wenn Sie meinen, dass Sie ohne GottnichtglÜck- lich sein können, dann hat der "Gott", an den Sie denken, mit dem wirklichen Gott nichts zu tun. Sie denken an einen Traumzustand, an Ihren Begriff. Manchmal müssen Sie "Gott" los werden, um Gott zu finden. Viele Mystiker lehren uns das. (165)

Wir wurden von allem so verblendet, dass wir nicht erkannten, dass das Aneinander-Hängen einer Beziehung eher schadet als nützt. Ich erinnere mich, wie sehr ich mich davor fürchtete, einern guten Freund von mir zu sagen: "Eigentlich brauche ich dich nicht. Ich kann auch ohne dich glücklich sein. Aber dadurch, dass ich dir das sage, kann ich deine Gesellschaft erst richtig genießen -da gibt es keine Ängste mehr, keine Eifersucht, kein Besitzdenken, kein Anklammem. Es ist schön, bei dir zu sein, ohne festgehalten zu wer- den. Du bist frei und ich auch." Für viele von Ihnen wird das etwas völlig Neues sein. Ich selbst habe lange dazu gebraucht, es zu begreifen. Sie müssen dabei be- rück-sichtigen, dass ich Jesuit bin und geistliche Übungen gemacht habe, bei denen es genau um so etwas geht. Dennoch begriffich den entscheidenden Punkt nicht, und meine Kultur und meine Gesell- schaftließen mich die Menschen in den Kategorien meiner Abhän- gigkeiten sehen. Ich amüsiere mich manchmal darüber, wenn scheinbar objektive Leute wie Therapeuten und geistliche Leiter über jemand sagen: "Er istwirklich ein toller Kerl, ich mag ihn sehr." Später finde ich heraus, dass ich jemand mag, weil er oder sie mich mag. Ich schaue in mich hinein und komme immer wieder zu demselben Schluß: Wenn ich von Lob und Wertschätzung ab- hängig bin, werde ich die Menschen danach beurteilen, ob sie mei- ne Abhängigkeiten gefahrden oder fördern. Wenn Sie als Politiker gewählt werden möchten, worauf werden Sie wohl bei den Leuten achten, wonach wird sich Ihr Interesse richten? Sie werden sich um die Leute kümmern, die Sie wählen könnten. Wenn Sie an Sex inter- essiert sind, wie glauben Sie, werden Sie Frauen und Männer betrachten? Wenn Sie nach Macht streben, wird das Ihre Sicht der (166)

Ein liebendes Herz bleibt weich und empfindsam. Wenn Sie aber darauf versessen sind, etwas zu errei- chen, werden Sie ruchlos, hart und empfindungslos. Wie können Sie einen Menschen lieben, wenn sie ihn brauchen? Sie können ihn nur gebrauchen. Wenn ich Sie zu meinem Glück brauche, muss ich Sie gebrauchen, manipulieren, muss ich Mittel und Wege finden, Sie zu gewinnen. Ich kann Sie nicht frei sein lassen. (167)

Ich kann die Menschen nur lieben, wenn ich mein Leben von den Menschen losgelöst habe. Wenn ich mich vom Bedürfnis nach Menschen lossage, bin ich wirklich in der Wüste. Am Anfang ist es furchtbar, die Einsamkeit zu spüren, doch wenn Sie eine Weile aus- gehalten haben, entdecken Sie auf einmal, dass es durchaus keine Einsamkeit ist. Sie erleben die Abgeschiedenheit, das Alleinsein, und die Wüste beginnt zu blühen. Dann werden Sie endlich erfah- ren, was Liebe ist, was Gott ist, was Realität ist. Doch am Anfang kann es hart sein, die Droge aufzugeben, wenn Sie keinen starken Willen oder nicht genug erlitten haben. Es hat etwas Großartiges an sich, gelitten zu haben. Nur dann kann es Ihnen überdrüssig werden. Sie können das Leiden dazu benutzen, ihm ein Ende zu setzen. Viele leiden aber weiter. Daraus erklärt sich der Konflikt, in dem ich manchmal stehe: der Konflikt zwischen der Rolle des geistlichen Begleiters und der des Therapeu- ten. Der Therapeut sagt: "Wir wollen das Leiden erleichtern." Der geistliche Begleiter sagt: "Soll sie nur leiden, sie wird ihres Verhal- tens anderen gegenüber schon überdrüssigwerden und sich schließ- lich entscheiden, aus diesem Gefängnis emotionaler Abhängigkeit von anderen auszubrechen. " Soll ich ein Schmerzmittel verschreiben oder den Krebs entfernen? Das ist keine so leichte Entscheidung. Jemand wirft angewidert ein Buch auf den Tisch. Lassen Sie es ihn ruhig auf den Tisch werfen. Heben Sie das Buch nicht für ihn auf und sagen Sie ihm, es sei schon alles in Ordnung. Spiritualität ist Bewusstheit, Bewusstheit, und noch einmal Bewusstheit. Wenn sich früher Ihre Mutter über Sie ärgerte, sagte sie nicht, dass etwas mit ihr nicht stimme, vielmehr sagte sie, dass etwas mit Ihnen nicht stimm- te, sonst würde sie sich ja nicht über Sie ärgern. Also, ich habe die (168)

große Entdeckung gemacht, dass wenn du dich ärgerst, Mutter, etwas mit dir nicht stimmt. Deshalb solltest du dich besser mit dei- nem Ärger befassen. Verweile bei ihm, und befasse dich mit ihm, es ist nicht mein Ärger. Ob etwas mit mir stimmt oder nicht stimmt, werde ich unabhängig von deinem Ärger herausfinden. Ich werde mich nicht von deinem Ärger beeinflussen lassen. Das Witzige dabei ist, dass wenn ich mich so verhalten kann, ohne jemand anderem gegenüber negative Geftihle zu entwickeln, ich auch mir selbst gegenüber recht objektiv sein kann. Nur ein Mensch mitviel Bewusstheit kann sich weigern, die Schuld und den Ärger auf sich zu beziehen, und kann sagen: "Du hast einen Wut- anfall. Zu schade. Ich verspüre nicht den leisesten Wunsch, dich irgendwie zu retten, und ich weigere mich, mich schuldig zu fiihlen. " Ich werde mich nicht selbst fiir etwas hassen, was ich getan habe. Denn das ist Schuld. Ich werde mir nicht selbst ein schlechtes Geftihl bereiten und mich selbst ftir etwas geißeln, was ich getan habe, sei es nun richtig oder falsch. Ich bin dazu bereit, es zu analy- sieren, es zu beobachten und zu sagen: "Falls ich etwas falsch ge- macht habe, geschah dies in Nicht-Bewusstheit." Niemand macht etwas in voller Bewusstheit falsch. Deswegen sagen uns die Theologen auch sehr treffend, dass ]esus nichts falsch machen konnte. Das leuchtet mir sehr gut ein, denn der erleuchtete Mensch kann nichts falsch machen. Der Erleuchtete ist frei. ]esus war frei, und weil er frei war, konnte er nichts falsch machen. Weil Sie jedoch etwas falsch machen können, sind Sie nicht frei. (169)

Von Mark Twain stammt der schöne Satz: "Es war sehr kalt, und wäre das Thermometer noch ein paar zenti- meter länger gewesen, wären wir erfroren. ~~ -Wir erfrieren an wör- tern. Nicht die Kälte draußen spielt eine Rolle, sondern das Ther- mometer. Nicht die Realität fällt ins Gewicht, sondern was man sich selbst über sie sagt. (170)

Rußland und Finnland sind nur Worte, Begriffe, aber wir ver- rückten Menschen merken das nicht. Wir achten fast nie auf die Wirklichkeit. Ein Guru versuchte einmal, einer Gruppe von Leuten zu erklären, wie die Menschen aufWorte reagieren, sich von Worten ernähren, von ihnen leben, mehr als von der Wirklichkeit. Einer der Männer stand auf und protestierte. Er sagte: "Dem kann ich nicht zustimmen, dass Worte eine so große Wirkung auf uns haben. " Der Guru erwiderte: "Setz dich hin, du Hundesohn." Der Mann wurde blaß vor Zorn und sagte: "Du nennst dich selbst einen Erleuchteten, nennst dich Guru, Meister, aber du solltest dich schämen." Der Guru sagte: "Entschuldigen Sie, mein Herr, ich habe mich hinreißen las- sen. Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung, es war ein Versehen, es tut mir wirklich leid." Schließlich beruhigte sich der Mann. Der Guru sagte darauf: ))Ein paar Worte genügten, um einen wahren Sturm in Ihnen zu entfachen; und ein paar Worte genügten, um Sie wieder zu beruhigen, war es nicht so?" Worte, Worte, Worte -wie einengend sind sie, wenn man sie nicht richtig gebraucht. (171)

übersetzen: "Sie sind sich nicht bewusst, was sie tun." Paulus sagt, er ist der größte Sünder, weil er die Kirche Gottes verfolgt hat. Aber, fügt er hinzu, er tat es, ohne sich dessen bewusst zu sein. Oder, wenn die Menschen sich dessen bewusst gewesen wären, dass sie den Herrn der Herrlichkeit kreuzigten, hätten sie es niemals getan. Oder: "Die Zeitwird kommen, da sie euch verfolgen und den- ken werden, Gott damit zu dienen." Sie sind sich nicht bewusst. Sie sind in Kenntnis und Wissen befangen. Thomas von Aquin sagt hierzu treffend: "Immer wenn gesündigt wird, geschieht es im Namen des Guten." Man verblendet sich selbst, sieht etwas als gut an, obwohl man weiß, dass es im übrigen schlecht ist; man sucht Begründungen, weil man etwas unter dem Vorwand des Guten erstrebt- Eine Frau beschrieb mir einmal zwei Situationen, bei denen es für sie schwierig war, Bewusstheit und Überblick zu behalten. Sie arbeitete in einem Dienstleistungsbetrieb, wo die Leute Schlange standen, vieleTelefone klingelten, sie allein mitallem fertigwerden musste, und viele ungeduldige, gereizte Leute eine ständige Ablen- kung waren. Sie fand es äußerst schwierig, gelassen und ruhig zu bleiben. Die andere Situation betraf das Autofahren im dichten Ver- kehr, mit Hupen und Schimpfen von links und rechts. Sie fragte mich, ob sich diese Unruhe legen würde, und sie den inneren Frie- den erreichen könne. Bemerken Sie hier die Abhängigkeit? Frieden. Ihre Abhängig- keit von Ruhe und Frieden. Sie sagte: "Solange ich nicht den inne- ren Frieden habe, werde ich nicht glücklich sein." Sind Sie schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass Sie auch bei aller An- spannung glücklich sein können? Vor der Erleuchtung war ich fru- Es mag seltsam klingen, in einer Kultur, die uns dazu erzogen hat, Ziele zu erreichen, weiterzukommen, wenn es auch in Wirk- lichkeit gar nichts gibt, wohin man gehen könnte, da wir bereits dort sind. Ein japanisches Sprichwort bringt das schön zum Ausdruck: "An dem Tag, an dem du zu reisen aufuörst, wirst zu angekommen sein." Sie sollten die Einstellung haben: "Ich möchte bewusstleben, ich möchte mit allem in Verbindung sein, was geschieht, und es geschehen lassen, was immer es sei; bin ich wach, ist es gut; schla- fe ich, ist es auch gut." Sobald Sie es sich zum Ziel setzen und ver- suchen, es zu erreichen, erwarten Sie ein Lob Ihres Egos, eine Bestäti- gung Ihres Egos. Sie möchten das gute Gefiihl, dass Sie es geschafft haben. Wann Sie es "schaffen" werden, wissen Sie nicht. Ihre linke Hand wird nicht wissen, was die rechte tut. "Herr, wann haben wir das getan? Wir waren uns dessen nicht bewusst. " Gutsein ist nie so schön, wie wenn man sich dessen nicht bewusst ist, dass man Gut- es tut. "Du sagst, ich habe dir geholfen? Es hat mir Spass gemacht. Ich habe nur getan, was ich sowieso tun wollte. Schön, dass es dir geholfen hat. Ich gratuliere dir! Es ist aber nicht mein Verdienst." Wenn Sie es erreicht haben, wenn Sie Bewusstheit erlangt haben, werden Sie sich immer weniger mit Etiketten wie "wach" oder "schlafend" aufualten. Eines meiner Probleme hier ist, Ihre Neugier zu wecken, aber nicht Ihre spirituelle Gier. Laßt uns wach werden, es wird wunderbar sein. Nach einer Weile spielt es keine Rolle mehr; man ist wach, weil man lebt. Das unbewusste Leben ist nicht wert, gelebt zu werden. Und Sie werden alles Schmerzliche auf sich beru- hen lassen. (172)

Nachgeben Je angestrengter Sie versuchen, sich zu ändern, desto schlimmer kann es werden. Heißt das, dass ein gewis- ses Maß an Passivität angebracht ist? Ja, denn je mehr Sie einer Sache widerstehen, desto größere Macht geben Sie ihr. Darin sehe ich die Bedeutung des Wortes Jesu: "Wenn dich jemand auf die rechte Wan- ge schlägt, dann halte ihm auch die andere Wange hin." Die Dämo- nen, die man bekämpft, werden gerade dadurch um so stärker. Das ist eine sehr orientalische Betrachtungsweise. lässt man sich jedoch mit dem Feind treiben, überwindet man ihn. Wie ist dem Bösen bei- zukommen? Nicht indem man es bekämpft, sondern indem man es versteht. Sobald wir es verstehen, verschwindet es. Wie ist der Dunkelheit zu begegnen? Nicht mit der Faust. Dun- kelheitwird auch nicht mit dem Besen aus dem Zimmer gejagt, son- dern man schaltet das Licht an. Je mehr man gegen die Dunkelheit ankämpft, desto wirklicher wird sie, und desto mehr ermatten die eigenen Kräfte. Schaltet man aber das Licht des Bewusstseins an, verschwindet sie. Angenommen, dieses Stück Papier ist ein Scheck über eine Mil- lion Dollar. Ach, ich muss ihm entsagen, will ich das Evangelium befolgen, ich muss verzichten, wenn ich das ewige Leben erlangen will. Wollen Sie eine Gier durch eine andere -eine geistliche Gier - ersetzen? Vorher hatten Sie ein weltliches Ego, jetzt haben Sie ein geistli- ches, doch nach wie vor ein Ego, ein raffiniertes, und ein Ego, dem schwieriger beizukommen ist. Indem Sie aufetwas verzichten, bin- 175

den Sie sich daran. Doch anstatt auf es zu verzichten, schauen Sie dieses Stück Papier an und sagen: "Ach, das ist doch kein Scheck über eine Million Dollar, das ist ein Fetzen Papier." Und schon gibt es nichts mehr zu bekämpfen, auf nichts mehr zu verzichten. Allerlei Tücken In meiner Heimat Indien wuchsen viele Männer in dem Glauben auf, Frauen seien wie Kühe. "Ich habe sie geheiratet", sagen sie, "sie gehört mir." Kann man diesen Männern einen Vorwurf machen? Machen Sie sich auf einen Schock gefaßt: nein, kann man nicht. Ebensowenig wie vielen Amerikanern vorzu- werfen ist, wie sie über Russen denken. Ihre Brillen wurden einfach getönt, und in diesem Farbton sehen sie jetzt die Welt. Wie kann man sie mit der Wirklichkeit vertraut machen, um sie bewusst wer- den zu lassen, dass sie die Welt durch eine gefärbte Brille sehen? Solange sie nicht ihr zugrundeliegendes Vorurteil erkennen, gibt es keine Hilfe. Sobald Sie die Welt aus der Sicht einer Ideologie betrachten, sind Sie am Ende. Keine Wirklichkeit passt in eine Ideologie, das Leben ist mehr als das. Darum suchen die Menschen immer nach einem Sinn des Lebens. Aber das Leben hat keinen Sinn; es kann keinen Sinn haben, denn Sinn ist eine Formel; Sinn ist etwas, was unserem Ver- stand vernünftig erscheint. Immer, wenn Sie meinen, in der Wirk- lichkeit einen Sinn zu sehen, stoßen Sie auf etwas, was den Sinn wie- der zunichte macht. Sinn ist nur zu finden, wenn Sie über den Sinn *176

hinausgehen. Das Leben hat nur Sinn, wenn Sie es als Mysterium ver- stehen; fiir einen begrifflich denkenden Verstand hat es keinen Sinn. Ich sage nicht, dass Anbetung und Verehrung nicht wichtig sind, aber ich sage zugleich, dass der Zweifel unendlich wichtiger ist als Anbetung. Überall suchen die Menschen nach etwas, das sie an- beten können, aber ich habe noch keine Menschen gefunden, die in ihren Einstellungen und Überzeugungen wach genug sind. Wie froh wären wir, wenn Terroristen ihre Ideologie weniger anbeten und mehr in Frage stellen würden. rrotzdem wollen wir das nicht auf uns beziehen; wir denken, dass wir recht und die Terroristen unrecht haben. Doch ein Terrorist fiir Sie, ist ein Märtyrer fiir andere. Einsamkeit heißt, Menschen zu vermissen; Alleinsein heißt, sich selbst zu genügen. So wird vom scharfzüngigen George Bernard Shaw ein schöner Ausspruch berichtet: Aufeiner jener langweiligen Cocktail-Parties, auf denen viel geredet, aber nichts gesagt wird, fragte man ihn: "Amüsieren Sie sich gut?" Worauf er erwiderte: "Das ist das einzige, was mich hier amüsiert." Zusammensein mit anderen ist nur dann schön, wenn man ihnen nicht versklavt ist. Eine Gemeinschaft kann sich nicht aus Sklaven zusammensetzen, dass heißt aus Leuten, die verlangen, dass ande- re Leute sie glücklich machen. In einer wirklichen Gemeinschaft gibt es keinen Bettlerhut, kein Anklammern, keine Angst, kein Bangen, keinen Katzenjammer, kein Besitzdenken, keine Ansprüche. Freie Menschen bilden eine Gemeinschaft, nicht Sklaven: eine einfache Wahrheit, die abervon einer ganzen Kultur übertöntwurde, die reli- giöse Kultur inbegriffen. Die religiöse Kultur kann sich als sehr manipulativ erweisen, wenn man nicht aufpasst. Manche Leute betrachten die Bewusstheit als einen hochgele- *177

genen Punkt, ein Plateau, jenseits der unmittelbaren Erfahrung eines jeden Augenblicks. Das macht die Bewusstheit zu einem Ziel. Doch wahre Bewusstheit sucht nichts, wohin man gehen, nichts, was man erreichen sollte. Wie kommen wir zu dieser Bewusstheit? Durch Bewusstheit.*178

T...Tann man uneingeschränkt Mensch sein, ohne das I,,"Tragische zu erfahren? Das einzig Tragische auf der Welt ist Ignoranz, die Wurzel allen Übels. Das einzig Tragische auf der Welt ist Unwachsamkeit und Unbewusstheit. Ihnen entspringt die Furcht, und aus der Furcht kommt alles andere, aber der Tod ist keineswegs eine Tragödie. Sterben ist schön; es wird nur für dieje- nigen zum Schrecken, die das Leben nieverstanden haben. Nur wer Angst vor dem Leben hat, hat auch Angst vor dem Tod. Nur wer tot ist, fürchtet den Tod. Doch wer lebt, furchtet ihn nicht.*179

Ein Jesuit schrieb einmal an den damaligen Generaloberen des Ordens, Pater Arrupe, einen Briet; in dem er ihn nach dem Wertvon Kommunismus, Sozialismus und Kapitalismus fragte. Pater Arrupe gab ihm eine gelungene Antwort, er schrieb: "Ein System ist so gut oder so schlecht wie die Menschen, die darin leben. " Menschen mit einem goldenen Herzen könnten den Kapitalismus, Kommunismus oder Sozialismus gut funktionieren lassen.*180

Doch was zieht Selbst-Veränderung nach sich? Ich habe zwar immer und immer wieder davon ge- sprochen, doch möchte ich nun diese Frage in kleine Abschnitte aufteilen. Zuerst die Einsicht. Dazu braucht es nicht Anstrengung, nicht Einübung von Verhaltensweisen, nicht Aufstellung eines Ideals. Ideale richten viel Schaden an. Die ganze Zeit konzentriert man sich darauf, was sein sollte, anstatt auf das, was ist. Damit stülpt man das, was sein sollte, einer gegebenen Wirklichkeit über, ohne jemals verstanden zu haben, was die gegebene Wirklichkeit ist.*181

dahingingen, regte sich bei mir ein seltsames Gefühl. Wenn ich bei jemandem ein seltsames Gefühl habe, kläre ich das in der Regel gleich mit der oder Betreffenden. Deshalb fragte ich ihn: "Ich habe das seltsame Gefühl, dass Sie etwas vor mir verbergen. Tun Sie das?" Er war entrüstet: "Was meinen Sie mit verbergen? Glauben Sie, ich mache diese lange Reise und nehme Ihre Zeit in Anspruch, um etwas vor Ihnen zu verbergen?" Ich antwortete: "Ich hatte nur dieses seltsame Gefühl, das ist alles; ich dachte, ich sollte das gleich mit Ihnen klären." So gingen wir weiter. Nicht weit von unserem Haus gab es einen See. Ich erinnere mich noch genau an diese Szene. Er fragte: "Könn- ten wir uns irgendwo hinsetzen?" Ich antwortete: "Warum nicht." Wir setzten uns auf eine kleine Mauer, die den See umsäumt. Er sag- te: "Sie haben recht. Ich verberge etwas vor Ihnen." Dabei brach er in Tränen aus. "Ich möchte Ihnen jetzt etwas erzählen, was ich noch niemandem erzählt habe, seit ich Jesuit wur- de. Mein Vater starb, als ich noch sehr jung war, und meine Mutter musste als Magd arbeiten gehen. Sie musste Waschräume, Toilet- ten und Badezimmer putzen, und das manchmal sechzehn Stunden am Tag, um das Nötigste für unseren Unterhalt zu verdienen. Ich schäme mich so dafür, dass ich es vor allen verborgen habe, und ich nehme weiter irrationalerweise Rache an ihr und an der ganzen Klas- se der Hausbediensteten." Das Gefühl wurde übertragen. Niemand konnte verstehen, war- um dieser liebenswürdige Mann so handelte, aber in dem Augen- blick, da er sein Handeln erkannte, war es mit den Problemen vor- bei. Er war in Ordnung.*185

- Deswegen sind dieMenschen so müde und erschöpft. Sie und ich wurden dazu erzogen, mit uns selbst unzufrieden zu sein. Daher rührt das Übel- psychologisch gesehen. Wir sind immer unzufrie- den, unbefriedigt, wir wollen immer alles erzwingen. Mach weiter, strenge dich noch mehr an, und noch mehr. Doch dabei gibt es immer diesen inneren Konflikt; da ist sehr wenig Verständnis.*186

Waren diese frommen Plattheiten eine Rettung vor Krebs? Und das ist Krebs, mit dem ich es zu tun habe, der Mangel an Bewusstsein und Wirklichkeit. An jenem Tag schwor ich mir einen großen Eid: "Ich werde lernen -ich werde lernen, damit mir dann niemand sagen kann: "Pater, was Sie mir sagten, war absolut richtig, aber völ- lig nutzlos." Bewusstsein, Einsicht. Wenn Sie Fachmann bzw. Fachfrau wer- den (und das werden Sie bald), brauchen Sie keinen Kurs in Psy- chologie zu besuchen. Wenn Sie anfangen, sich selbst zu beobach- ten, auf sich selbst zu achten, diese negativen Geflihle zu fassen, werden Sie Ihre eigene Art finden, es zu erklären. Sie werden die Ver- änderung bemerken. Doch dann werden Sie es mit diesem großen Bösewicht zu tun bekommen, der Selbstverachtung, Selbsthass und U nzufriedenheit-mit-sich-Selbst heißt.*188

Beim Blättern in meinen Aufzeichnungen stieß ich auf ein paar Zitate, die guthierzu passen. Hören Sie dieses: "Es gibt nichts Grau- sameres als die Natur. Im ganzen Universum gibt es vor ihr kein Ent- rinnen. Und doch ist es nicht die Natur, die Schaden zufugt, son- dern das eigene menschliche Herz." -Hat das einen Sinn? Es ist nicht die Natur, die Schaden zufugt, sondern das eigene Herz des Menschen. Kennen Sie die Geschichte von Paddy, der vom Gerüst fiel und ganz schön hartaufschlug? Man fragte ihn: "Hast du dich beim Sturz verletzt, Paddy?"Woraufersagte: "Nein, nichtbeim Sturz, beimAuf- prall. " Schneidet man Wasser, bleibt das Wasser intakt: schneidet man etwas Festes, geht es entzwei. Sie haben sich feste Einstellungen, feste Illusionen zugelegt; damit stoßen Sie an der Natur an; daher sind Sie verletzt, daher rührt das Leiden. Noch eine andere schöne Stelle fiel mir auf, die aus einer orien- talischen Sage stammt, ich weiß nicht mehr, aus welcher. Genau*189

wie bei der Bibel kommt es nicht auf den Verfasser an, sondern auf das, wasgesagtwird. "IstdasAugenichtversperrt, kann man sehen; ist das Ohr nicht versperrt, kann man hören; ist die Nase nicht ver- sperrt, kann man riechen; ist der Mund nicht versperrt, kann man schmecken; ist der Geist nichtversperrt, wird man weise." Die Weisheit findet, wer die Hindernisse abreißt, die man mit seinen Begriffen und seiner Beeinflußbarkeit errichtet hat; Weisheit lässt sich nicht erwerben; Weisheit ist nicht Erfahrung; Weisheit wendet nicht die Illusionen von gestern auf die Probleme von heute an. Wie mir jemand sagte, als ich vor Jahren in Chicago Psychologie studierte: "Oft sind funfzig Jahre Erfahrung im Leben eines Priesters ein einziges Jahr Erfahrung, funfzigmal wiederholt." Es sind immer dieselben Lösungen, auf die man zurückgreift: so behandelt man einen Alkoholiker; so behandelt man Priester; so geht man mit Ordensschwestern um und so mit Geschiedenen. Weisheit ist das freilich nicht. Weisheit heißt, ein feines Gespür für diese bestimmte Situation zu haben, fur diesen bestimmten Men- schen, ohne sich von Zurückliegendem und Überbleibseln aus der Vergangenheit beeinflussen zu lassen. Es bedeutet etwas ganz ande- res als die Leute gewöhnlich meinen. Noch einen Satz möchte ich hinzufugen: "Ist das Herz nichtver- sperrt, kann man lieben." -Nun habe ich so viel über Liebe gespro- chen, obwohl ich Ihnen gesagt habe, dass man eigentlich nichts über Liebe sagen kann. Nur über Nichtliebe können wir sprechen, über Sucht. Aber über Liebe selbst lässt sich ausdrücklich nichts sagen. Über Liebe lässt sich nichts sagen*190

Über Liebe lässt sich nichts sagen T " ]ie würde ich Liebe beschreiben? Dazu möchte ich V V mit Ihnen eine Meditation aus einem meiner Bücher machen. Ich lese Ihnen den Text langsam vor, und Sie medi- tieren darüber, während wir weitermachen, ich halte mich an die Kurzform, für die drei oder vier Minuten genügen. Es ist ein Kom- mentar zu einem Satz aus dem Evangelium. Ich hatte über einen anderen Text, einen Satz von Plato, nachgedacht: "Aus einem freien Menschen wird kein Sklave, denn ein freier Mensch ist auch im Gefängnis frei." Dieser Satz gleicht dem Wort aus dem Evangelium: "Sollst du eine Meile gehen, dann gehe zwei." Du glaubtest, du hättest aus mir einen Sklaven gemacht, indem du mir eine Last auf die Schultern geladen hast; das hast du aber nicht. Wer die äußerliche Wirklichkeit dadurch zu verändern sucht, dass er aus dem Gefängnis flieht, um frei zu sein, ist tatsächlich ein Gefangener. Freiheit ist nicht in äußeren Umständen begründet; Freiheit wohnt im Herzen. -Wer kann Sie versklaven, wenn Sie Weisheit gefunden haben? Hören Sie also den Satz aus dem Evangelium, an den ich vorhin dachte: "Er schickte die Menschen fort. Danach ging er auf einen Berg, um allein zu beten. Es wurde spät, und er war dort ganz allein." Darum geht es bei der Liebe. Kam Ihnen schon einmal der Gedan- ke, dass man nur lieben kann, wenn man allein ist? Was bedeutet es zu lieben? Es bedeutet, einen Menschen, eine Situation, eine Sache so zu sehen, wie sie wirklich ist, und nicht, wie man sie sich vor-*191

stellt; darauf die Erwiderung zu geben, die sie verdient. Was man nicht einmal sieht, lässt sich schwerlich lieben. Doch was hindert uns am Sehen? Unsere Beeinflußbarkeit, unsere Begriffe, unsere Kategorien, unsere Vorurteile, unsere Erwartungen, die Etiketten, die wir aus unserer Kultur und unseren früheren Erfahrungen über- nommen haben. Sehen ist etwas vom Schwierigsten, was ein Mensch leisten kann, denn man braucht dazu einen disziplinierten, wachen Geist. Aberviele geben lieber einer geistigen Trägheit nach, als sich die Mühe zu machen, jeden einzelnen zu sehen, jedes Ding, wie es sich im gegenwärtigen Augenblick darbietet. Die Kontrolle verlieren wenn Sie verstehen möchten, was Kontrolle heißt, stellen Sie sich einmal ein kleines Kind vor, das Drogen probieren dar[ Sobald die Droge im Körper des Kindes ist, wird es süchtig; sein ganzes Sein schreit nach der Droge. Ohne Dro- ge zu sein, ist eine so unerträgliche Qual, dass sogar der Tod besser erscheint. Denken Sie an dieses Bild: der Körper wurde drogen- süchtig. Genau das hat die Gesellschaft mit Ihnen gemacht, als Sie auf die Welt kamen. Sie durften nicht die feste, stärkende Nahrung des Lebens genießen -nämlich Arbeit, Spiel, Spass, Lachen, Zusam- mensein mit anderen, die Freuden der Sinne und des Geistes. Sie durften von der Droge probieren, die Anerkennung, Wertschätzung und Ansehen heißt.*192

Ich möchte hier einen angesehenen Autor zitieren, A. S. Neill, der das Buch "Summerhi[[" schrieb. Neill sagt: Wenn ein Kind stän- dig an seinen Eltern hängt, ist dies ein Zeichen dailir, dass es krank ist; es interessiert sich ilir Menschen. Ein gesundes Kind interessiert sich nicht ilir Menschen, es interessiert sich ilir Dinge. Wenn sich ein Kind der Liebe der Eltern sicher ist, vergißt es die Eltern; es geht hin- aus und erkundet die Welt; es ist neugierig. Es findet einen Frosch und steckt ihn in den Mund -oder etwas Ähnliches. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn ein Kind an seiner Mutter hängt, dann ist es unsicher. Vielleicht hat seine Mutterversucht, Liebe aus ihm her- auszupressen, und ihm nicht all die Freiheit und Sicherheit gege- ben, die es braucht. Seine Mutter hat immer auf sehr subtile Weise gedroht, es zu verlassen. So konnten wir an verschiedenen Arten von Sucht Geschmack finden: Anerkennung, Aufmerksamkeit, Erfolg, die Spitze zu er- reichen, Prestige, in der Zeitung zu stehen, Chef zu sein. Wir haben an Dingen, wie Gruppenilihrer zu sein, Bandleader zu sein und so weiter, Geschmack gefunden. Indem wir daran Geschmack fanden, wurden wir süchtig danach und begannen, uns davor zu furchten, diese Dinge zu verlieren. Erinnern Sie sich an das Geilihl, die Kon- trolle verloren zu haben, das Gefühl von Panik, wenn Versagen drohte und Fehler unvermeidlich schienen, wenn Sie Kritik von anderen erwarteten. So wurden Sie feige und von anderen abhän- gig und verloren Ihre Freiheit. Andere haben nun die Macht, Sie glücklich oder unglücklich zu machen. Sie brauchen dringend Ihre Drogen, aber so sehr Sie auch das Leid, das sie nach sich ziehen, hassen, erkennen Sie zugleich Ihre völlige Hilflosigkeit. Keine Minute, in der Sie sich nicht, bewusst oder unbewusst, der Reak-*193

tionen anderer bewusst sind oder sich ihnen anpassen, nach deren Pfeife tanzen. Eine schöne Definition eines erwachten Menschen ist: ein Mensch, der nicht mehr nach der Pfeife der Gesellschaft tanzt, ein Mensch, der zu der Musik tanzt, die aus ihm selbst kommt. Wer ig- noriert wird oder wer sich abgelehnt fiihlt, erfährt eine so unerträg- liche Einsamkeit, dass er zu den anderen zurückkriecht und um die wohltuende Droge fleht, die Unterstützung, Ermutigung und Bestä- tigung heißt. So mit anderen zu leben, bringt endlose Anspannung mit sich. "Die Hölle, das sind die anderen", sagt Sartre. Das ist nur zu wahr. Wenn Sie in solcher Abhängigkeit leben, müssen Sie sich stets von Ihrer besten Seite zeigen; nie können Sie ungezwungen sein; Sie müssen Erwartungen erfiillen. Mit anderen zu leben, heißt in Anspannung zu leben. Ohne die anderen zu leben, zieht die Agonie der Einsamkeit nach sich, weil Sie die Menschen vermissen. Sie haben die Fähigkeit verloren, sie so zu sehen, wie sie sind, und angemessen auf sie einzugehen, da Ihre Wahrnehmung durch den Drang nach der Droge getrübt wird. Sie sehen sie nur unter dem Blickwinkel, ob sie Ihnen helfen, Ihre Droge zu bekommen, oder ob sie Ihnen die Droge nehmen kÖnn- ten. Bewusst oder unbewusst betrachten Sie die anderen immer mit diesen Augen: Werde ich von Ihnen bekommen, was ich will, oder werde ich es nicht bekommen? Und können sie mir weder helfen noch mich bedrohen, interessieren sie mich nicht. Es ist schlimm, das sagen zu müssen, aber ich frage mich, fiirwen von uns das nicht gelten könnte.*194

Dem Leben lauschen Sie brauchen also Bewusstheit und Nahrung. Sie brau- chen kräftige, gesunde Nahrung. Lernen Sie, die stär- kende Nahrung des Lebens zu genießen: gutes Essen, guten Wein, gutes Wasser. Probieren Sie es! Vergessen Sie einmal Ihren Geist und finden Sie Ihre Sinne. Das ist gute, gesunde Nahrung. Die Freuden der Sinne, aber auch die Freuden des Geistes. Wenn Sie zum Bei- spiel ein gutes Buch genießen oder eine spannende Diskussion erle- ben oder einfach nachdenken. Es ist großartig! Doch leider haben sich die Menschen irgendwie verrannt, sie werden immer abhängi- ger, da sie die schönen Dinge des Lebens nicht zu genießen verste- hen. So verlangen sie nach immer stärkeren künstlichen Aufput- schmitteln. In den siebziger Jahren appellierte Präsident Carter an die Ame- rikaner, den Gürtel enger zu schnallen. Dabei dachte ich mir: Er soll- te nicht an sie appellieren, mehr zu sparen, sondern sie daran erin- nern, das, was sie haben, mehr zu genießen. Viele haben es verlernt, etwas zu genießen. Ich glaube, die meisten Menschen in reichen Ländern haben das verlernt. Sie brauchen immer teurere technische Spielereien, sie können sich nicht an den einfachen Dingen des Lebens erfreuen. Wohin man geht, ob im Supermarkt oder in War- tesälen, ertönt die schönste Musik, aber ich habe noch keinen getrof- fen, der ihr je gelauscht hätte -keine Zeit, keine Zeit. Sie sind schul- dig, sie haben keine Zeit, das Leben zu genießen. Sie sind überlastet: weiter, weiter.*195

Wenn Sie das Leben und die einfachen Sinnesfreuden wirklich genießen würden -Sie wären überrascht. Sie würden die außerge- wöhnliche Disziplin eines Tieres entwickeln. Ein Tier ißt niemals zuviel, in seiner natürlichen Umgebung wird es nie zu dick. Es wird niemals etwas essen oder trinken, das seiner Gesundheit schaden könnte. Sie würden nie ein Tier Zigaretten rauchen sehen. Es bewegt sich soviel, wie es braucht- beobachten Sie einmal Ihre Katze nach ihrer Mahlzeit, sehen Sie, wie sie sich ausruht und wie sie mit einem Sprung wieder in Aktion ist, sehen Sie, wie geschmeidig ihre Glie- der und wie lebendig ihr Körper ist. Das haben wir verloren. Wir sind nur noch kopfgesteuert, haben uns in unseren Ideen und Idealen verloren, und ständig heißt es: weiter, weiter. Auch stehen wir in ei- nem inneren Konflikt, den Tiere nicht haben. Wir machen uns selbst immer wieder Vorwürfe und plagen uns mit Schuldgefühlen. Sie werden wissen, wovon ich spreche.196

Was vor Jahren ein Freund zu mir sagte, hätte ich auch von mir selbst sagen können: Nimm doch diese Schachtel Pralinen weg, denn eine Schachtel Pralinen raubt mir meine Freiheit. Das galt ebenso fiir mich: Ich verlor meine Freiheit angesichts aller mög- lichen Dinge, aber das ist jetzt vorbei! Ich brauche nicht viel und genieße es dafür um so intensiver. Wenn man etwas intensiv ge- nossen hat, braucht man davon sehr wenig. Wie Leute, die eifrig ihren Urlaub planen: sie treffen monatelang Reisevorbereitungen, und sind sie dann schließlich an Ort und Stelle, geht es ihnen nur noch darum, ob die Plätze für den Rückflug gebucht sind. Sie foto- graphieren viel, und später werden sie die Fotos in einem Album vorzeigen -Fotos von Orten, die sie nie wirklich gesehen, sondern nur festgehalten haben. Ein Symbol unseres modernen Lebens. Vor dieser Art von Askese kann ich Sie nicht genug warnen. Schalten Sie herunter: schmecken Sie, riechen Sie, hören Sie, lassen Sie Ihre Sinne aufleben. Wenn Sie den königlichen Weg zur Mystik suchen, setzen Sie sich in Ruhe hin, und lauschen Sie allen Klängen um sich herum. Konzentrieren Sie sich nicht nur auf einen einzigen Klang; versuchen Sie, alle zu hören. Sie werden reine Wunder erle- ben, wenn Ihre Sinne sich entfalten. Das ist für den Prozeß der Ver- änderung überaus wichtig.*197

Ägypter an; sie sind samt und sonders tot, und kein einziger hat geraucht." Eines Tages bekam er Probleme mit seiner Lunge und musste sich im Krebsforschungszentrum in Bombay untersuchen lassen. Der Arzt sagte: "Pater, Sie haben zwei Schatten auf der Lun- ge, das könnte Krebs sein. In vier Wochen möchte ich Sie wiederse- hen." Seitdem hat er keine einzige Zigarette mehr angerührt. Vor- her wusste er, dass Rauchen tödlich sein kann, nachher war er sich dessen bewusst. Das ist der Unterschied. Der Gründer des Jesuitenordens, der heilige Ignatius von Loyo- la, verwendet einen schönen Ausdruck dafür. Er nennt es, die Wahr- heit schmecken und fühlen -nicht sie wissen, sondern schmecken und fühlen, ein Gefühl für sie bekommen. Wenn Sie ein Gefühl für sie bekommen haben, ändern Sie sich. Wenn Sie sie in Ihrem Kopf wissen, nicht. Vor uns der Tod Ich habe schon bei mancher Gelegenheit gesagt, dass der Weg zu wirklichem Leben Sterben ist. Eine Hin- führung zum Leben ist, sich vorzustellen, man läge im eigenen Grab: Sie sehen sich darin liegen, in der Haltung, die Ihnen am besten erscheint. In Indien setzt man die Toten mit gekreuzten Bei- nen hin. Oft trägt man sie so zur Verbrennung, oft werden sie aber auch hingelegt. Stellen Sie sich also vor, Sie liegen ausgestreckt im Sarg und sind tot. Aus dieser Perspektive betrachten Sie nun Ihre Probleme. Alles sieht auf einmal ganz anders aus, oder?*200

Das ist eine schöne Meditation, die Sie jeden Tag, wenn Sie die Zeit haben, machen sollten. Es ist unglaublich, aber Sie werden lebendigwerden. In meinem Buch "Dass ich sehe. Meditationen des Lebens" gibt es dazu eine ähnliche Meditation: Um das Leben zu sehen, wie es wirklich ist, hilft nichts so sehr wie die Tatsache des Todes. Ich schaue in mein Grab hinein und finde eine Handvoll Staub und zerbröckelte Knochen im Sarg. Meine Augen bleiben an diesem Staub hängen, und ich denke an mein Leben zurück: Erfolge und Tragödien ... Ängste und Freuden ... Mühen, Konflikte ... Bestrebungen und Wunschträume ... Liebe und Abneigung ... all das, was mein Leben ausgemacht hat. Und all das ist nun vom Wind verweht, vom Universum ver- schIungen ...Nur noch ein wenig Staub ist übriggeblieben als Zei- chen, dass es einmal etwas gegeben hat: mein Leben. Wie ich so diesen Staub betrachte, kommt es mir vor, als fiele eine schwere Last von meinen Schultern: die Last meiner Einbil- dung, etwas zu bedeuten ... Dann blicke ich auf und betrachte die Welt um mich: die Bäume, die Vögel, die Erde, die Sterne, den Sonnenschein, den Schrei eines Säuglings, einen vorüberfahrenden Zug, die eilenden Wolken, den Tanz des Lebens und des ~niversums ...und ich weiß, dass in allem irgendwo die Überreste jenes Menschen sind, den ich "Ich" genannt habe, und jenes Leben, welches das meine war.*201

Sooft ich diese Meditation vortrage, sagen die Leute: "Wie bedrückend!" Doch was ist denn daran so bedrückend? Die Wirklichkeit, um Himmels willen! Viele wollen freilich die Wirklichkeit nicht sehen und nicht an den Tod denken. Die Menschen leben nicht, die mei- sten leben nicht, sondern erhalten nur ihren Körper am Leben. Das ist kein Leben. Sie fangen erst dann an zu leben, wenn es Ihnen ein- erlei ist, ob Sie leben oder sterben. Erst dann leben Sie. Wenn Sie dazu bereit sind, Ihr Leben zu verlieren, leben Sie. Wenn Sie Ihr Leben aber abschirmen, sind Sie tot. Wenn Sie da oben auf dem Dachboden sitzen, und ich sage: "Kommen Sie doch herunter!" Und Sie antworten: "0 nein, ich habe gelesen, dass Leute eine Treppe hinuntergegangen und ausgerutscht sind und sich das Genick gebrochen haben; das ist zu gefährlich." Oder ich kann Sie nicht dazu bewegen, über die Straße zu gehen, weil Sie sagen: "Sie wissen wohl nicht, wie viele Leute schon über- fahren wurden, als sie über die Straße gingen?" Wenn ich Sie nicht dazu bringen kann, eine Straße zu überqueren, wie kann ich Sie dann dazu bewegen, einen Kontinent zu überqueren? Und wenn ich Sie nicht dazu bewegen kann, über Ihren Tellerrand von Ansichten und Überzeugungen hinaus in eine andere Welt zu blicken, sind Sie tot, unweigerlich tot; das Leben ist an Ihnen vorbeigegangen. Sie sitzen in Ihrem kleinen Gefängnis und fürchten sich, Sie könnten Ihren Gottverlieren, Ihre Religion, Ihre Freunde, wer weiß, was noch. Das Leben ist eines für Spieler. Genau das sagte Jesus. Sind Sie bereit, das Risiko einzugehen? Wissen Sie, wann Sie bereit dazu sind? Wenn Sie das herausgefunden haben, wenn Sie wissen, dass das, was man Leben nennt, nicht wirkliches Leben ist. Die Menschen*202

meinen fälschlicherweise, Leben bedeute, seinen Körper am Leben zu erhalten. Lieben Sie also den Gedanken an den Tod. Kommen Sie immer und immerwieder aufihn zurück. Denken Sie an die Schön- heit dieser Leiche, dieses Skeletts, dieser Knochen, wie sie zerfallen, bis nur noch eine Handvoll Staub von Ihnen bleibt. Dann werden Sie sehr erleichtert sein. Mag sein, dass manche dies alles von sich wei- sen. Sie fürchten jeden Gedanken daran. Dabei ist es sehr erleich- ternd, aus dieser Perspektive auf sein Leben zu blicken. Oder besuchen Sie einen Friedhof. Es ist eine überaus läuternde und tiefe Erfahrung. Sie entdecken einen Namen und sagen sich: "Ach, vor so langer Zeit hat er gelebt, vor zwei Jahrhunderten! Ihn müssen dieselben Probleme geplagt haben wie mich, er muss manch schlaflose Nacht gehabt haben. Es ist seltsam, wir leben nur so kurze Zeit." Ein italienischer Dichter sagte: "Wir leben in einem kurzen Auf- blitzen von Licht; der Abend kommt, und es ist für immer Nacht. " Es ist nur ein Aufblitzen, und wir nutzen es nicht. Wir vertun es mit unserer Furcht, unseren Sorgen, unseren Bedenken, unseren Bela- stungen. Versuchen Sie es mit dieser Meditation, können Sie am Ende Informationen gewonnen haben -oder Bewusstheit. Und in diesem Moment des Bewusstwerdens sind Sie neu. Zumindest so lange es anhält. Dann werden Sie den Unterschied zwischen Infor- mation und Bewusstheit erfahren. Ein befreundeter Astronom erzählte mir neulich ein paar grund- legende Dinge aus der Astronomie. Ich hatte zum Beispiel nicht gewusst, dass man die Sonne dort sieht, wo sie vor achteinhalb Minuten stand, und nicht an der Stelle, wo sie jetzt steht. Denn ein Sonnenstrahl braucht achteinhalb Minuten, um zu uns zu kommen.*203

Man sieht sie also nicht, wo sie steht; sie ist jetzt schon woanders. Auch die Sterne sandten ihr Lichtvor Hunderten und Tausenden von Jahren zu uns. Sie können also ganz woanders sein als dort, wo wir sie sehen. Mein Freund sagte: Wenn wir uns eine Galaxie vorstellen, ein ganzes Universum, wäre unsere Erde ein verlorener Punkt am hinteren Ende der Milchstraße; noch nicht einmal in der Mitte. Und jeder der Sterne ist eine Sonne, und einige dieser Sonnen sind so groß, dass unsere Sonne und unsere Erde samt dem Raum zwischen ihnen in sie hineinpassen würden. Nach vorsichtiger Schätzung gibt es hundert Millionen Galaxien! Soweit man weiß, dehnt sich das Universum mit einer Geschwindigkeitvon zwei Millionen Meilen in der Sekunde aus. Ich hatte ihm fasziniert zugehört, und als wir das Restaurant ver- ließen, in dem wir gesessen hatten, blickte ich nach oben und hatte ein anderes Gefiihl, eine andere Sicht des Lebens. Das ist Bewusst- werden. Entweder Sie nehmen das alles als nüchterne Fakten hin (das ist dann Information), oder Sie haben auf einmal eine andere Sicht des Leben -was sind wir, was ist dieses Universum, was ist das menschliche Leben? Haben Sie dieses Gefiihl, so ist es das, was ich mit Bewusstheit meine.*204

Das Land der Liebe Würden wir uns wirklich keinen Illusionen mehr darüber hingeben, was die Menschen uns geben oder nehmen können, wären wir wachsam. Tun wir das nicht, hat das schlimme und unausweichliche Folgen: Wir verlieren unsere Fähigkeit zu lieben. Wollen Sie lieben, müssen Sie lernen, wieder zu sehen. Wollen Sie sehen, müssen Sie lernen, Ihre Droge aufzu- geben. So einfach ist das. Geben Sie Ihre Abhängigkeit au( Lösen Sie sich aus den Fangarmen der Gesellschaft, die Ihr Leben um- schlingen und ersticken. Befreien Sie sich von diesen Fesseln. Nach außen wird alles so weitergehen wie bisher; wenn Sie auch noch immer in der Welt leben werden, werden Sie kein Teil mehr von ihr sein. In Ihrem Herzen werden Sie nun endlich frei sein, wenn auch ganz und gar allein. Die Abhängigkeit von Ihrer Droge wird sich verlieren. Sie müssen nicht ins Exil gehen; Sie können mitten unter den Menschen sein und ihre Gegenwart genießen. Aber andere besitzen nicht mehr die Macht, Sie glücklich oder unglücklich zu machen. Das heißtAlleinsein. In dieser Abgeschiedenheit verlieren sich Ihre Abhängigkeiten, und Sie gewinnen die Fähigkeit zu lie- ben. Man betrachtet die anderen nicht mehr als Mittel der Befriedi- gung seiner eigenen Sucht. Nur wer dies versucht hat, kennt die Schrecken dieses Prozesses. Es ist, als fordere man sich selbst zum Sterben auf, als verlange man von einem bedauernswerten Drogensüchtigen, auf das einzige Glück zu verzichten, das er je erfahren hat. Wie kann es der Ge- schmack eines frischen Brotes, duftenden Obstes und der reine Duft*205

der Morgenluft, die Frische einer klaren Gebirgsquelle ersetzen? Während er mit Entzugserscheinungen und der Leere kämpft, erfahrt er nun, dass die Droge nicht mehr da ist- nichts außer sei- ner Droge kann diese Leere ausfiillen. Können Sie sich ein Leben vorstellen, bei dem Sie sich weigern, sich auch nur über ein einziges Wort der Anerkennung zu freuen oder sich an jemand anzulehnen? Stellen Sie sich ein Leben vor, in dem Sie von niemandem gefiihlsmäßig abhängen, so dass niemand mehr die Macht hat, Sie glücklich oder verzagt zurückzulassen. Sie weigern sich, einen bestimmten Menschen zu brauchen, oder einem anderen Menschen etwas Besonderes zu bedeuten, oder ihn gar Ihr eigen zu nennen. Die Vögel des Himmels werden ihre Nester und die Füchse ihre Höhle haben, Sie aber werden keinen Platz haben, an dem Sie Ihr Haupt auf der langen Reise des Lebens niederlegen können. Wenn Sie das erreichen, werden Sie endlich wissen, was es bedeutet, eine Sichtweise zu haben, die klar und frei von Furcht oder Verlangen ist. Jedes Wort ist dann wohlüberlegt. Endlich eine Sichtweise haben, die klar undfrei von Furcht oder Verlangen ist. Sie werden wissen, was es heißt zu lieben. Um aber ins Land der Liebe zu gelangen, müssen Sie die Schmerzen des Todes durchmachen, denn Menschen zu lieben, heißt, das Bedürfnis nach ihnen ersterben zu lassen und ganz allein zu sein. Wie können Sie jemals soweit kommen? Durch unablässiges Bewusstwerden, durch unendliche Geduld und Mitleid, das Sie einem Drogenabhängigen entgegenbrächten. Dadurch, dass Sie einen Geschmack für die guten Dinge des Lebens entwickeln, um dem Verlangen nach der Droge zu begegnen.*206

Was sind diese guten Dinge? Die Liebe zur Arbeit, die Sie um ihrer selbst Willen tun; die Liebe zu froher Unterhaltung und Ver- trautheit mit Menschen, an die Sie sich nicht anklammern, und von denen Sie mit Ihren Gefühlen nicht abhängen, sondern deren Gesellschaft Sie einfach erfreut. Es hilft auch, wenn Sie etwas mit ,ganzem Herzen machen, Tätigkeiten, die Sie so gerne tun, dass Ihnen dabei Erfolg, Anerkennung und Billigung einfach nicht in den Sinn kommen. Es wird auch helfen, zur Natur zurückzukehren. Halten Sie sich von den Menschenscharen fern, gehen Sie in die Berge, hal- ten Sie mit Bäumen, Blumen, Tieren und Vögeln, mit dem Meer, den Wolken, dem Himmel und den Sternen stille Zwiesprache. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass es eine wichtige geistliche Übung ist, über Dinge staunen zu können, sich der Dinge um einen herum bewusst zu sein. Dann werden sich die Wörter und Begriffe hoffentlich verlieren, Sie werden sehen und den Kontakt zur Wirk- lichkeit finden. Das ist die Kur gegen Einsamkeit. Gewöhnlich ver- suchen wir, unsere Einsamkeit dadurch zu*207

suchen wir, unsere Einsamkeit dadurch zu heilen, dass wir unsere Gefühle von anderen abhängig machen, dass wir Geselligkeit und Lärm suchen. Das ist keine Heilung. Kehren Sie zu den Dingen zurück, kehren Sie zur Na- tur zurück, gehen Sie in die Berge. Dann werden Sie erfahren, dass Ihr Herz Sie in die weite Wüste der Abgeschiedenheit gebracht hat, wo niemand mehr an Ihrer Seite ist, absolut niemand. -*207

Zuerstwird es Ihnen unerträglich erscheinen. Aber nur deshalb, weil Sie das Alleinsein nicht gewöhnt sind. Wenn Sie es schaffen, dort eine Weile zu bleiben, wird die Wüste mit einem Mal in Liebe erblühen. Ihr Herz wird von Freude erfiillt sein und singen. Es wird fiir immer Frühling sein; die Droge wird verbannt sein: Sie sind frei. Dann werden Sie verstehen, was Freiheit ist, was Liebe ist, was Glück ist, was die Wirklichkeit ist, was die Wahrheit ist, was Gott ist. Sie werden sehen, Sie werden mehr erfahren als Begriffe, Voreinge- nommenheit, Abhängigkeit und an etwas zu hängen. Können Sie das nachvollziehen? Ich kann Ihnen dazu noch eine nette Geschichte erzählen: Es war einmal ein Mann, der erfand die Kunst des Feuermachens. Er nahm seine Werkzeuge und wanderte zu einem Stamm im Norden, wo es sehr kaltwar, bitterkalt. Dort lehrte er die Menschen, Feuer zu machen. Die Menschen waren auch sehr daran interessiert. Er zeig- te ihnen, wozu das Feuer alles gut sein konnte -zum Kochen, zum Sich-Wärmen und anderes mehr. Sie waren sehr dankbar, dass sie die Kunst des Feuermachens gelernt hatten. Doch bevor sie ihm ihren Dank aussprechen konnten, verschwand er. Ihm lag nicht an ihrer Anerkennung oder ihrem Dank; ihm lag an ihrem Wohler- gehen. So ging er zu einem anderen Stamm, dem er wiederum zeigte, wie nützlich seine Erfindung war. Die Menschen dort interessierte das ebensosehr, ein bißchen zu sehr fiir den Geschmack ihrer Prie- ster, denen nichtverborgen blieb, dass dieser Mann die Scharen auf Kosten ihrer eigenen Beliebtheit anzog. So beschlossen sie, ihn bei - seite zu schaffen. Sie vergifteten ihn, kreuzigten ihn, töteten ihn - wie, ist hier nicht weiter wichtig. Doch die Priester bekamen nun*208

Angst, dass sich die Menschen gegen sie wenden würden. Aber die Priester waren sehr schlau, ja gerissen. Können Sie sich vorstellen, was sie taten? Sie ließen ein Bild des Mannes anfertigen und stellten es auf den größten Altar des Tempels, die Werkzeuge zum Feuer- machen legten Sie vor das Bild. Daraufwurden die Leute angeleitet, das Bild zu verehren und sich vor den Werkzeugen zu verbeugen, was sie auch pflichtbewusst Jahrhunderte hindurch taten. Vereh- rung und Kult gingen weiter, aber das Feuer gab es nicht mehr.*209

Der dritte: Identifizieren Sie sich mit nichts. Jemand fragte mich vorhin: "Sind Sie denn nie bedrückt?" Und ob ich bedrückt bin. Ich habe oft regelrechte Anfalle von Bedrücktsein, die aber nicht lange anhalten, wirklich nicht. Was mache ich also? Erstens: Ich identifi- ziere mich nicht damit. Ich spüre, wie mich ein bedrückendes Gefühl befallt. Anstatt nun aber angespannt und nervös zu werden und mich über mich selbst zu ärgern, erkenne ich, dass ich depri- miert bin, enttäuscht, oder was auch immer. Zweitens gebe ich zu, dieses Gefühl ist in mir und nicht in jemand anderem, zum Beispiel in dem, der mir nicht geschrieben hat. Es ist also nicht in der äußeren Welt, es ist in mir. Denn solan- ge ich meine, es sei außerhalb von mir, fühle ich mich dazu berech- tigt, an meinen Gefühlen festzuhalten. Ich kann nicht behaupten, dass alle auf diese Weise fühlen; tatsächlich fühlen nur Narren so, nur Menschen, die schlafen.*211

Drittens identifiziere ich mich nicht mit dem Gefiihl. Das "Ich" ist nicht dieses Gefuhl. "Ich" bin nicht einsam, "Ich" bin nicht deprimiert, "Ich" bin nicht enttäuscht. Enttäuschung ist zwar da, aber man beobachtet sie. Sie wären überrascht, wie schnell sie sich auflöst. Alles, dessen Sie sich bewusst sind, verändert sich ständig; Wolken ziehen weiter. Während Sie das tun, kommen Sie zu den ver- schiedensten Einsichten, warum überhaupt Wolken aufzogen. Ich habe hier ein schönes Zitat, das ich mir in Gold fassen las- sen würde, es istaus A. S. Neills Buch "SummerhilI". Ich muss Ihnen zuerst den Hintergrund erzählen. Vielleicht wissen Sie, dass Neill vierzig Jahre in der Erziehung tätig war. Er entwickelte eine Art Ein- zelgängerschule, in die er Jungen und Mädchen aufnahm und sie einfach frei sein ließ. Wer Lesen und Schreiben lernen wollte -gut; wer es nicht lernen wollte -auch gut. Jede und jeder kann mit seinem bzw. ihrem Leben alles tun, was er oder sie will, solange nicht die Freiheit von jemand anderem eingeschränkt wird. Vergreifen Sie sich nicht an der Freiheit anderer; im übrigen sind Sie frei. Neill sagte, dass die Schlimmsten aus Klosterschulen kamen. Das ist natürlich lange her. Etwa sechs Monate dauerte es, um den Ärger und die Ablehnung zu überwinden, die sie unterdrückt hat- ten. Sie rebellierten volle sechs Monate und bekämpften das System. Am schlimmsten ein Mädchen, die immer ein Fahrrad nahm und in die Stadt fuhr, raus aus der Klasse, raus aus der Schule, raus aus allem. Hatten sie aber einmal ihre Rebellion überwunden, wollten plötzlich alle lernen und protestierten sogar: "Warum haben wir heute keinen Unterricht?" Sie besuchten aber nur die Stunden, fiir die sie sich interessierten. Sie waren wie umgewandelt. Zuerst hat- ten die Eltern Angst, ihre Kinder in diese Schule zu schicken und*212

sagten: "Wie können sie erzogen werden, ohne Ordnung zu lernen? Sie müssen angeleitet und geführtwerden." Was war also das Geheimnis von Neills Erfolg? Die schlimmsten Kinder kamen zu ihm, diejenigen, die alle zur Verzweiflung gebracht hatten, doch in sechs Monaten waren sie wie umgewandelt. Hören Sie, was er sagte -außergewöhnliche Worte, heilige Worte: "Jedes Kind hat einen Gott in sich. Unser Bemühen, das Kind zu formen, wird aus dem Gott einen Teufel machen. Die Kinder kommen in meine Schule, kleine Teufel, die die Welt hassen: sie sind destruktiv, haben keine Manieren, sie lügen, sie stehlen, sind unbeherrscht. Nach sechs Monaten sind sie glückliche, gesunde Kinder, die nichts Böses tun." Erstaunliche Worte eines Mannes, dessen Schule in Großbri- tannien regelmäßig von Leuten aus dem Erziehungsministerium inspiziert wird, von irgendwelchen Schulleitern oder -leiterinnen oder sonstwem, der sich dafür interessiert. Erstaunlich. Es war sein Charisma. So etwas lässt sich nicht nachmachen, dazu bedarf es einer ganz besonderen Veranlagung. In Vorlesungen vor Schullei- tern und -leiterinnen sagte er: "Kommen Sie nach Summerhili, und Sie werden sehen, dass die Bäume voller Früchte hängen; niemand pflückt die Früchte; niemand strebt danach, die Autorität anzugrei- fen; sie sind gut ernährt und kennen keine Ablehnung und keinen Ärger. Kommen Sie nach Summerhili, und Sie werden kein behin- dertes Kind mit einem Spitznamen finden (Sie wissen, wie grausam Kinder sein können, wenn jemand zum Beispiel stottert). Sie werden niemanden finden, der einen Stotterer hänselt, niemals. In diesen Kindern ist keine Gewalttätigkeit, denn niemand gebraucht Gewalt, das istalles."*213

Jedes Kind trägt einen Gott in sich; unser Bemühen, das Kind zu formen, wird aus dem Gott einen Teufel machen. -In dem wunder- baren italienischen Film von Federico Fellini mit dem Titel "81/2" kommt eine Szene vor, in der ein Ordensbruder mit einer Gruppe acht- bis zehnjähriger Jungen eine Wanderung oder einen Ausflug machen. Sie sind am Sttand, die Jungen laufen voraus, während der Mönch mit dreien oder vieren die Nachhut bildet. Sie begegnen einer älteren Frau, einer Hure, und begrüßen sie: "Hallo", worauf sie auch "Hallo" ruft. Die Jungen fragen sie: "Wer bist du?" Sie antwortet: "Ich bin eine Prostituierte. " Sie wissen nicht, was das ist, tun aber so, als wüßten sie es. Einer der Jungen, der anscheinend ein bißchen mehr als die anderen weiß, erklärt: "Eine Prostituierte isteine Frau, die gewisse Dinge tut, wenn man sie dafür bezahlt." Darauffragen sie: "Würden Sie diese Dinge tun, wenn wir Sie bezahlen?" "Warum nicht?" Sie sammeln also Geld, geben es ihr und sagen: "Würden*214

Sie nun gewisse Dinge tun, jetzt haben wir Ihnen ja das Geld ge- geben?" Darauf antwortet sie: "Klar, Jungs, was soll ich denn tun?" Das einzige, was den Jungen einfällt, ist, dass sie ihre Kleider aus- ziehen soll, was sie dann auch tut. Sie schauen sie an; noch nie haben sie eine nackte Frau gesehen. Sie wissen nicht, was sie sonst tun sol- len, und so fragen sie: "Würden Sie tanzen?" "Klar." Also bilden sie einen Kreis um die Frau, singen und klatschen; die Hure wackelt mit den Hüften, und die Jungen lachen und amüsieren sich. Der Bruder sieht, was sich abspielt, rennt den Strand hinunter und brüllt die Frau an. Sie muss ihre Kleider wieder anziehen, und der Erzähler sagt: "Von diesem Augenblick an waren die Kinder verdorben; bis dahin waren sie unschuldig und schön." Kein ungewöhnlicher Fall. Ich erinnere mich an einen ziemlich konservativen Missionar in Indien, der eine meiner Arbeitsgruppen besuchte. Als ich dieses Thema zwei Tage lang entwickelte, litt er sichtlich darunter. Am zweiten Abend kam er zu mir und sagte: Toni, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich darunter leide, dir zuzuhören." "Wieso denn, Stan?" "Du lässt in mir eine Frage wieder wach werden, die ich seit fiin- fundzwanzig Jahren unterdrücke, eine ganz schreckliche Frage. Immer wieder frage ich mich: Habe ich meine Leute nicht dadurch verdorben, dass ich Christen aus ihnen gemacht habe?" Dieser Pater war nicht gerade einer der Liberalsten, er war ein orthodoxer, ehrfiirchtiger, frommer, konservativer Mann. Aber er spürte, dass er glückliche, liebevolle, einfache, arglose Menschen dadurch verdarb, dass er sie zu Christen machte. Amerikanische Missionare, die mit ihren Frauen auf die Süd-*215

seeinseln gingen, waren entsetzt, als sie Insulanerinnen mit nack- ter Brust in die Kirche kommen sahen. Die Frauen der Missionare bestanden darauf, dass die Eingeborenenfrauen anständig geklei- det sein sollten. Also gaben ihnen die Missionare Blusen. Am näch- sten Sonntag kamen die Frauen und trugen die Blusen, aber mit zwei großen Löchern auf der Brust, um es luftiger zu haben. Die Frauen hatten recht, die Missionare waren im Unrecht. Doch wieder zurück zu Neill. Er sagt: "Ich bin kein Genie, ich bin lediglich ein Mann, der sich weigert, die Schritte von Kindern zu lenken. ~~ Aber wie verhält es sich dann mit der Erbsünde? N eill sagt, dass jedes Kind einen Gott in sich hat; unsere Versuche, es zu for- men, werden aus dem Gott einen Teufel machen. Er lässt die Kin- der ihre eigenen Werte bilden, und diese Werte sind ausnahmslos gut und sozial. Können Sie das glauben? Wenn ein Kind sich geliebt fühlt (das heißt: wenn das Kind fiihlt, dass man aufseiner Seite ist), ist es auch in Ordnung. Das Kind erfahrt keine Gewalttätigkeit mehr. Keine Furcht, also auch keine Gewalttätigkeit. Das Kind beginnt, andere so zu behandeln, wie es selbst behandelt wird. Dieses Buch ist wirklich lesenswert! Es kehrte mein Leben und meine Art, mit Menschen umzugehen, völlig um. Ich begann, Wun - der zu sehen. Ich begann, die Unzufriedenheit mit mir selbst, die in mir verwurzelt war, zu erkennen, das Wettbewerbsdenken, die Ver- gleiche, dieses Das-ist-nicht-gut-Genug usw. Sie könnten dagegen- halten, dass ich nie das geworden wäre, was ich heute bin, wenn ich nicht durch andere dazu gebracht worden wäre. Hatte ich diesen Zwang wirklich nötig? Und überhaupt, wer möchte schon das sein, was ich bin? Ich möchte glücklich sein, ich möchte heilig sein, ich*216

möchte liebevoll sein, ich möchte friedlich sein, ich möchte frei sein, ich möchte menschlich sein. Wissen Sie, woher Kriege kommen? Sie kommen daher, dass innere Konflikte nach außen projiziert werden. Zeigen Sie mir den Menschen, der keinen inneren Konflikt kennt, und ich zeige Ihnen den Menschen, der keine Gewalttätigkeit kennt. Er wird wirksame, ja sogar harte Tatkraft kennen, doch keinen Haß. Wenn er handelt, dann so wie ein Chirurg, wie liebevolle Lehrer mit geistig behinder- ten Kindern. Sie machen den Kindern keine Vorwürfe, sondern sie verstehen und handeln. Wenn Sie indessen handeln, während Haß und Gewalttätigkeit noch in Ihnen stecken, so unterstützen Sie den Irrtum. Sie versuchen, das Feuer mit Feuer zu löschen. Sie wollen eine Flut mit Wasser eindämmen. Ich wiederhole, was Neill sagt: "Jedes Kind hat einen Gott in sich. Unser Bemühen, das Kind zu formen, wird aus dem Gott einen Teufel machen. Kinder kommen in meine Schule, kleine Teufel, die die Welt hassen: Sie sind destruktiv, haben keine Manieren, sie lügen, sie stehlen, sind unbeherrscht. Nach sechs Monaten sind es glückliche, gesunde Kinder, die nichts Böses tun. Ich bin kein Genie, ich bin lediglich ein Mann, der sich weigert, die Schritte von Kin- dern zu lenken. Ich lasse die Kinder ihre eigenen Werte bilden, und diese Werte sind ausnahmslos gut und sozial. Die Religion, die Men- schen gut macht, macht Menschen schlecht, aber die Religion als Freiheit verstanden, macht alle Menschen gut, denn sie schafft den inneren Konflikt ab (das Wort "inneren" habe ich hinzugefügt), der Menschen zu Teufeln macht." Neill sagtweiter: "Das erste, was ich tue, wenn ein Kind nach Summerhili kommt: ich schaffe sein Gewissen ab."*217

Ich nehme an, Sie wissen so gut wie ich, worüber er spricht. Sie brauchen kein Gewissen, wenn Sie Bewusstheit besitzen; Sie brau- chen kein Gewissen, wenn Sie Sensibilität besitzen. Sie sind nicht gewaltttätig, Sie sind nicht voller Angst. Vielleicht meinen Sie, dies sei ein unerreichbares Ideal. Dann lesen Sie einmal dieses Buch. Ich bin da und dort Menschen begegnet, die plötzlich auf diese Wahrheit gestoßen sind. Die Wurzeln des Bösen liegen in Ihnen. Sobald Sie dies zu verstehen beginnen, hören Sie auf, Forderun- gen an sich zu stellen, Erwartungen an sich zu richten, sich selbst zu zwingen. Sie verstehen dann. Ernähren Sie sich gesund, mit guter, natürlicher Nahrung. Dabei meine ich nicht bloß reales Essen, ich spreche von Sonnenuntergängen, von der Natur, von einem guten Film, von einem guten Buch, von Arbeit, die Spass macht, und von guter Gesellschaft. Hoffentlich werden Sie sich dann von Ihren Abhängigkeiten trennen und sich diesen anderen Gefühlen zuwen- den. Was für ein Gefühl erfüllt Sie, wenn Sie die Natur erleben, oder wenn Sie in Arbeit vertieft sind, die Sie lieben? Oder wenn Sie wirk- lich mit jemand, dessen Gesellschaft Sie lieben, offen und vertraut sprechen, ohne sich anzuklammern? Was für Gefühle haben Sie da? Vergleichen Sie diese Gefühle mit denen, die Sie erfüllen, wenn Sie einen Streit oder ein Rennen gewinnen, wenn Sie geschätzt werden, oder wenn man Ihnen applaudiert. Diese letztgenannten Gefühle nenne ich weltliche Gefühle; die ersten seelische Gefühle. Viele Menschen gewinnen die Welt und verlieren ihre Seele. Viele Menschen leben ein leeres und seelenloses Leben, weil sie sich selbstvon Ansehen; Geltung und Lob ernähren, von "Ich bin in Ordnung, du bistin Ordnung", seht mich an, beach-*218 tet mich, unterstützt mich, schätzt mich, von: der Chef sein, Macht haben, den Konkurrenzkampf gewinnen. Ernähren auch Sie sich davon? Wenn Sie das tun, sind Sie tot. Sie haben Ihre Seele verloren. Ernähren Sie sich von anderem, Nahr- hafterem. Dann werden Sie die Umwandlung erfahren. -Ich habe Ihnen nun ein ganzes Lebensprogramm angeboten, nichtwahr?*219- FIN

 

Titel der Originalausgabe: Awareness A De Mello Spirituality Conference in his own Words by the Center ofSpiritual Exchange, 1990

Die Bücher von Anthony de Mello entstanden in einem multireligiösen Kontext und sollten Anhängern anderer Religionen, Agnostikern und Atheisten eine Hilfe bei ihrer geistlichen Suche sein. Dieser Intention des Autors entsprechend, sind sie nicht als Darstellungen des christlichen Glaubens oder als Interpretationen katholischer Dogmen zu verstehen. (diese anmerkung steht in den meisten seiner buchausgaben)

 

Lesetipp: Anthony de Mello: Der springende Punkt (woraus der Großteil der Auszüge stammt). Eine Minute Weisheit (woraus einleitende Gleichnisse stammen - zum nebenher lesen und nett als unaufdringliches Buchgeschenk...).
Um eines der Bücher zu bestellen, klicken Sie einfach auf den Link am Buchtitel. Weitere Buchversandanbieter finden Sie im freien Denkermarkt.

 

 


wenn sie nach dem lesen dieser seite das (natürliche) bedürfnis empfinden, uns etwas gutes tun zu wollen oder wenn sie einfach gerne menschen eine freude bereiten, können sie für einige ihrer konsumtätigkeiten die links zu diversen konsummöglichkeiten unter www.diedenker.org/bereichern benutzen. damit können sie uns (nicht auf Ihre Kosten versteht sich, denn wozu gibt es denn reiche anbieter, die ihre einnahmen mit uns teilen wollen?) und gleichzeitig sich selbst materiell bereichern.