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Die goldene Mitte –
Mittelmäßigkeit als Optimum

Basierend auf Überlegungen von Aristoteles wird nachfolgend die Theorie aufgestellt, dass es gut ist, nach Mittelmäßigkeit zu trachten, anstatt nach Extremen wie beispielsweise möglichst viel lesen oder möglichst viel privatisieren. So ist, wirtschaftswissenschaftlich ausgedrückt, der Grenznutzen einer als positiv empfundenen Handlung am Beginn der Handlung meist am größten, was dafür spricht, sich möglichst mehreren positiven Dingen abwechselnd zu widmen, weil dadurch der summierte Nutzen größer ist.

Aristotle_Ethica_Nicomachea_page_1Der Philologe O.Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle (später österreichischer Bildungsminister) merkte in einer Vorlesung zum Thema Glück („Was ist Glück? Antike Konzepte zu gelingendem Leben“) im Herbst 2005 zur Mesotes-Lehre (Mesos…Mitte) von Aristoteles an, dass diese weniger mit eher negativ besetzter Mittelmäßigkeit (mediocritas), sondern eher mit der „goldenen Mitte“ (aurea mediocritas – aurea ist positiv besetzt) assoziiert werden sollte. Aristoteles meinte z.B., dass Triebe nur schlecht sind, wenn sie einseitig sind, man sie in einer Mittellage halten muss, womit sie dann angebracht und gut sind. Schlecht sind bspw. Feigheit und Tollkühnheit, gut Tapferkeit. Oder auch Fresssucht und Magersucht können als schlecht weil extrem gesehen werden. Hingegen müsse der Mensch seinen Affekten Raum geben (z.B. dem sexuellen oder Esstrieb), weil sonst seine Gattung ausstirbt. Und auch Zorn und der Aggressionstrieb dienen bspw. zur Abwehr von Gefahren, zum Schutz… (Auch Emotionen dienen schnellen und gleichzeitig – dank der Erfahrung, auf welcher sie beruhen und welche sie widerspiegeln – guten Entscheidungen, scheinen aber in vielen Fällen der Kontrolle bzw. Mäßigung durch die Vernunft zu bedürfen, eigene Anm.) Aristoteles sei ein Philosoph der Mitte (kein Extremist), was unter anderem sein (philosophisches, wissenschaftliches) Vorgehen (die Analyse) zeigt. (Ende der recht freien Wiedergabe der Ausführungen des Professors)

Was kann man aus diesen Ausführungen lernen? Vielleicht, dass es besser ist, sich vielseitig als einseitig zu beschäftigen, sich unterschiedlichen Dingen zu widmen als sich auf etwas zu spezialisieren, usw. Als Vertreter einer ähnlichen Ansicht könnte man die ökonomische Kosten/Nutzen-Analyse anführen (des weiteren natürlich auch bspw. generell die wissenschaftliche, pro-objektive Abwägung von Vor- und Nachteilen bzw. Beleuchtung möglichst aller Seiten einer Sache). Diese drückt normalerweise aus, dass der Grenznutzen eines Gutes (der aus einer zusätzlichen Einheit eines Gutes erwachsende Nutzen) mit dessen Menge sinkt und die Grenzkosten im Gegenzug steigen und sieht abgebildet meist so aus:

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Die optimale Menge liegt – sofern man eine Handlung gesondert betrachtet – im Schnittpunkt (projiziert auf die Mengenachse) von Grenzkosten und Grenznutzen. (Die Kurven könnten natürlich auch gekrümmt, gewellt, ungleichmäßiger, in gewissen Fällen vertauscht, etc. sein) Denn würde die Menge darüber liegen, würden die Kosten der (Erstellung oder Nutzung der) zusätzlichen Einheit(en) über dem daraus entstehenden Nutzen liegen. Würde sie darunter liegen, verhält es sich genau umgekehrt, das heißt der Nutzen der (Erstellung oder Nutzung der) zusätzlichen Einheit(en) liegt über deren Kosten. (Dieses Modell ist natürlich schwer objektivierbar – Nutzen kann bislang nicht wissenschaftlich anerkannterweise gemessen, „kardinalisiert“ werden und wird deshalb in der ökonomischen Theorie nur ordinal verwendet -, wird aber von Ökonomen dennoch oft als Rechtfertigung für politische oder wirtschaftliche Maßnahmen herangezogen, z.B. indem sie Kosten und Nutzen auf finanzielle Werte reduzieren, was aber vor allem bei der Bewertung von nicht im Markt handelbaren Gütern wie z.B. saubere Luft zu gröberen Verletzungen der von ihnen selbst postulierten Konsumentensouveränität führt.)

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Man denke zur praktischen Veranschaulichung einer solchen Kosten/Nutzen-Struktur beispielsweise an eine sportliche Aktivität: normalerweise wird sie ab einem gewissen Ausmaß einfach langweilig oder die Opportunitätskosten (versäumte Arbeit, Gesundheitsschäden, usw.) steigen. Andererseits könnte sie aber auch erst ab einem gewissen Ausmaß „rentabel“ werden und dann immer noch rentabler: man denke an Spitzensportler. Erfahrungsgemäß werden diese im Laufe der Zeit aber auch mit größeren Problemen (Kosten) konfrontiert (körperliche Schäden, Sinnkrisen, o.ä.) und generell machen „extreme“, „fanatische“ Menschen meist keinen sehr glücklichen Eindruck. Hingegen könnte eine gute Mischung aus z.B. geistiger Aktivität, wie Lesen, und körperlicher Aktivität, wie Bergsteigen, (genannten Theorien und u.U. auch der Erfahrung nach) eher ein Ergebnis in der Nähe des theoretischen Optimums hervorbringen. Man beobachte die Nutzenzuwächse bei seinen täglichen (positiven) Aktivitäten: zumeist sind diese am Anfang der Aktivitäten am größten, nicht?

Vergleiche: Artikel über „Schwestertugenden“ und Literarisches Lob der Mittelmäßigkeit

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2 Antworten auf „Die goldene Mitte –
Mittelmäßigkeit als Optimum“

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